Der Kläger kennt den Besitzer des Boots seit längerer Zeit. Dessen Büro ist sogar in seiner Gewerbeliegenschaft eingemietet. Im vorletzten Herbst war eine Reinigung des Bootes fällig. «Das Schiff sah übel aus, voll Vogeldreck und zum Teil mit Wasser vollgelaufen», erzählt der Kläger vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen. Nach getaner Arbeit habe man über einen Lagerplatz diskutiert. Der Bootsbesitzer sei mit dem Preis – 70 Franken pro Quadratmeter über den Winter – einverstanden gewesen und habe den Auftrag zum Einlagern erteilt. Er werde bar zahlen.
Das geschah aber nie. «Immer kam etwas dazwischen», sagt der Kläger. Irgendwann habe ihm der Bootsbesitzer gesagt, er solle die Rechnung an seine Firma schicken, dann könne er den Betrag bei den Steuern abziehen. Im Juni des letzten Jahres war die Rechnung noch immer offen. Der Bootsbesitzer meinte dazu bloss, seine Mitarbeiterin sei «einfach zu doof, die Zahlung auszulösen».
Dann ging der Firma des Bootsbesitzers – einer GmbH – offenbar das Geld aus. Ab Oktober war er weder telefonisch noch schriftlich erreichbar. Eingeschriebene Briefe kamen zurück. Der Kläger liess sich aber nicht abwimmeln und ging mit seiner Frau und einem Nachbarn als Zeugen beim Bootsbesitzer daheim vorbei, «um zu sehen, was Sache ist». An diesem Abend habe der Mann plötzlich gesagt, es handle sich um sein Privatboot, er solle deshalb die Rechnung an die Privatadresse schicken.
«Sonnenklar, dass es sich um ein Freizeitboot handelt»
Der Einzelrichter des Bezirks Kreuzlingen hakt nach. Wann erstmals die Rede auf die Firma gekommen sei, will er wissen. «Als die Barzahlung nicht klappte», entgegnet der Kläger. Er fügt an, es sei «sonnenklar, dass es sich um ein Freizeitboot handelt». Die GmbH sei nur aus Steuergründen ins Spiel gekommen. Überdies habe die Gemeinde später das Boot beschlagnahmt, weil der Besitzer seine privaten Steuerschulden nicht beglichen habe.
Der Bootsbesitzer stellt die Sache ganz anders dar: «Ich erteilte nie den Auftrag, das Boot einzulagern.» Er bestreitet auch, am fraglichen Abend die Begleichung der Rechnung zugesichert zu haben. Er habe einzig versprochen abzuklären, ob er die Rechnung privat zahlen könne. Sein Anwalt habe ihm aber wegen unzulässiger Gläubigerbevorzugung abgeraten, privat Schulden der zahlungsunfähigen GmbH zu begleichen. Diese hat inzwischen Konkurs gemacht.
Der Richter erkundigt sich nach Unterlagen, die nachweisen, dass er als Privatmann das Boot der GmbH überlassen hat. Der Bootsbesitzer muss passen: Er habe keinen Zutritt mehr zu den Büros der GmbH. Und dass weder er noch die Firma die Rechnung für das Winterlager beanstandeten, obwohl angeblich nie ein Auftrag erteilt wurde, erklärt er mit Gutmütigkeit: «Ich wollte Ruhe und Frieden haben und sagte mir, dann übernehmen wir das halt.»
Nun wird ein Zeuge aufgerufen. Er bestätigt die Version des Klägers: «Der Bootsbesitzer sagte, die Rechnung für das Winterlager habe nichts mit der Firma zu tun, das Boot sei privat, das zahle er aus der eigenen Tasche.» Und die Rücksprache mit dem Rechtsanwalt? «Davon hat er nichts gesagt.»
Drei Tage nach dem Vergleich ist das Geld überwiesen
Nach einer Pause unterbreitet der Richter einen Vergleichsvorschlag. Statt 1400 Franken solle der Bootsbesitzer dem Gewerbler 1000 Franken bezahlen. Wenn sich ein schriftliches Urteil erübrige, falle eine reduzierte Gerichtsgebühr von 100 statt 400 Franken an. Der Bootsbesitzer ist damit einverstanden. Der Kläger erhofft sich dank des Vergleichs eine raschere Zahlung und akzeptiert den Vorschlag ebenfalls. Drei Tage später ist das Geld auf seinem Konto.
Zeugen können prozessentscheidend sein
Beweismittel. Im Zivilprozess hat die klagende Partei meist die schlechteren Karten. Sie muss die umstrittenen Tatsachen beweisen, auf die sie ihre Forderung stützt. Die wichtigsten Beweismittel sind schriftliche Unterlagen und Zeugenaussagen.
Wo Dokumente fehlen, helfen meist nur noch Zeugen. Zeugnis ablegen kann nur, wer nicht selbst Partei ist. Das Gericht befragt die Zeugen zuerst über ihr Verhältnis zu den Parteien, anschliessend ausschliesslich über Wahrnehmungen, die sie zum umstrittenen Sachverhalt gemacht haben. Zeugen müssen die Wahrheit sagen, sonst machen sie sich strafbar. Die Gerichte dürfen die Beweise trotzdem frei würdigen. Das heisst: Sie sind nicht an die Aussagen eines Zeugen gebunden. Sie sollten aber im Urteil begründen, weshalb sie eine Aussage für glaubwürdig oder unglaubwürdig erachten.