Seit Anfang Jahr sind in der Schweiz rund 600 000 vorwiegend ältere Leute sowie medizinisches Personal vollständig gegen das Coronavirus geimpft worden. Die Impfstoffe stammen von den Firmen Pfizer/Biontech und Moderna.
Wie verträglich sind die neuartigen Substanzen? In der Schweiz sammelt die Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel Swissmedic Informationen von Ärzten und Spitälern über Nebenwirkungen. Bisher wurden ihr 1174 Fälle von Nebenwirkungen nach Corona-Impfungen gemeldet, davon 341 schwere. Zudem starben 55 Menschen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung. Gemäss Swissmedic waren die Verstorbenen durchschnittlich 84 Jahre alt.
Unter die leichten Nebenwirkungen fallen Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle und Müdigkeit. Als schwer gelten Nebenwirkungen, wenn sie lebensgefährlich sind oder eine Hospitalisierung nötig ist.
577 der 1174 gemeldeten Nebenwirkungsfälle betrafen den Stoff von Pfizer/Biontech, 580 denjenigen von Moderna. In 17 Fällen ist der Impfstoff nicht bekannt. Insgesamt wurden 1,6 Millionen Impfdosen verabreicht. saldo wollte von Swissmedic wissen, wie viele Dosen von welchem Stoff verabreicht wurden. Doch diese Information steht laut Swissmedic «noch nicht öffentlich zur Verfügung».
Allergische Reaktionen, Atemnot, Fieber, Kopfschmerzen
Die häufigsten Nebenwirkungen des Pfizer/Biontech-Vakzins waren Kopfschmerzen, Fieber und Muskelschmerzen. Bei Moderna waren es eine gerötete Einstichstelle, Hautausschläge und Juckreiz.
Zu den häufigsten schweren Nebenwirkungen gehören unter anderem Atemnot und schwere allergische Reaktionen. Eine präzise Aufstellung nach Impfstoffen veröffentlicht Swissmedic weder bei schweren Nebenwirkungen noch bei Todesfällen.
Die bisher gemeldeten 1174 Nebenwirkungsfälle in drei Monaten sind im Vergleich zu anderen Impfungen eine hohe Zahl. Von 2011 bis 2019 verzeichnete Swissmedic pro Jahr im Durchschnitt nur rund 220 Meldungen wegen Impfnebenwirkungen. Darunter war durchschnittlich ein Todesfall, bei dem ein Zusammenhang mit einer Impfung bestanden haben könnte. Diese Zahlen beziehen sich auf sämtliche Impfungen – also etwa gegen Grippe und Masern sowie mit Mehrfachimpfstoffen. Unbekannt ist, wie viel jährlich geimpft worden ist. Dafür liegen laut Swissmedic «keine zuverlässigen Daten» vor.
Europaweit wurden für Pfizer/Biontech knapp 128 000 und für Moderna 11 500 Fälle mit Nebenwirkungen gemeldet. Frauen und jüngere Jahrgänge sind von Nebenwirkungen stärker betroffen. Das zeigt eine Auswertung der offiziellen Daten aus Deutschland und Norwegen: In den beiden Ländern waren rund 65 Prozent der Geimpften Frauen – die gemeldeten Nebenwirkungen betrafen sie zu 80 Prozent (Norwegen) respektive 75 Prozent (Deutschland). In der Schweiz sind gemäss offiziellen Zahlen bis jetzt 57 Prozent der Geimpften Frauen. Ihr Anteil an den Nebenwirkungsfällen liegt bei 68 Prozent.
Mehr Nebenwirkungen bei Geimpften unter 60 Jahren
Auch bei der jüngeren Bevölkerung treten überdurchschnittlich viele Nebenwirkungen auf. So waren in Norwegen 30 Prozent der Geimpften zwischen 16 und 60 Jahre alt. Ihr Anteil an den gemeldeten Nebenwirkungen betrug jedoch über 80 Prozent. Von den über 60-Jährigen litten 0,1 Prozent unter Nebenwirkungen, von den unter 60-Jährigen dagegen 1,4 Prozent. Aus der Schweiz und aus Deutschland liegen keine detaillierten Zahlen vor.
Deutschland und Norwegen verabreichen neben den Produkten von Pfizer/Biontech und Moderna auch den Impfstoff von Astra Zeneca. Dieser ist besonders umstritten: In Deutschland starben drei Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren nach der Impfung an einer Thrombose. Ein Zusammenhang mit der Impfung ist laut dem deutschen Bundesinstitut für Impfstoffe «nicht unplausibel».
In Grossbritannien verstarben bisher 19 Menschen an einem Blutgerinnsel, nachdem sie mit dem Vakzin von Astra Zeneca geimpft worden waren. Es handelte sich um 13 Frauen und sechs Männer. Elf der Verstorbenen waren unter 50, drei unter 30 Jahre alt. Europaweit wurden für den Astra-Zeneca-Wirkstoff über 130 000 Nebenwirkungsfälle gemeldet.
Die Schweiz bestellte gut fünf Millionen Dosen von Astra Zeneca. Der Impfstoff befindet sich noch im Zulassungsverfahren. Gemäss Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi fliessen die Erkenntnisse aus dem Ausland in die Beurteilung ein. Möglich sei etwa, dass der Impfstoff mit einem Warnhinweis versehen oder nur für bestimmte Gruppen zugelassen werde. Gemäss Angaben des Luzerner Gesundheitsdepartements ist angedacht, dass Hausärzte und Apotheker den Astra-Zeneca-Impfstoff verabreichen.
Erik C. Böttger ist Professor für Medizin und Mikrobiologie an der Uni Zürich sowie Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Sein Fazit zu den bisherigen Erfahrungen: «Die Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sind erheblich und stärker als bei bisherigen Impfungen.» Warum genau es zu den Nebenwirkungen komme, sei unklar.
Klar ist für Böttger jedoch: «Die Impfstoffe sind Mischungen von unterschiedlichsten biologisch aktiven Substanzen, so etwa Milliarden von kleinsten Teilchen, sogenannten Nanopartikeln.» Diese könnten zu den bekannten Problemen führen.
Corona-Impfung: Information auf Verlangen
- Wer geimpft wird, muss vorher über mögliche Risiken aufgeklärt werden. Die kantonalen Impfzentren nehmen diese Pflicht unterschiedlich ernst. Der Kanton Aargau etwa gibt vor Ort Infoblätter ab. Darauf sind die häufigsten Nebenwirkungen, Anweisungen für den Fall einer schweren Nebenwirkung und eine Notfallnummer aufgeführt. In Zürich informieren die meisten Impfzentren nur mündlich, in einigen sind Plakate aufgehängt. Und im Kanton Luzern sind die Informationen lediglich auf einer Internetsite abrufbar. Das Personal vor Ort informiert laut dem Gesundheitsdepartement nur «auf Verlangen».
- Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit können Impfwillige nicht wählen, welchen Impfstoff sie erhalten. Die Impfzentren im Kanton Basel-Landschaft etwa geben auf Anfrage vorgängig bekannt, welcher Impfstoff verabreicht wird. Der Kanton St. Gallen dagegen informiert nicht.
- Niemand muss sich im Wohnkanton impfen lassen. Die Impfung ist in der ganzen Schweiz gratis – auch beim Hausarzt.