Der Kläger steht ganz allein vor der Einzelrichterin am Arbeitsgericht Winterthur ZH. Nicht zum ersten Mal, sagt der 56-jährige Maler, der während eines halben Jahres für ein Temporärbüro arbeitete. «Schon vor dem Friedensrichter erschien niemand von der Beklagten», sagt er. Dies zeige, dass sich die Beklagte im Unrecht sieht.
Der Maler fordert vor dem Arbeitsgericht wie schon vor dem Friedensrichter eine Lohn-Restzahlung von Fr. 6290.20 brutto für eine krankheitsbedingte Abwesenheit. Am 25. Oktober des letzten Jahres habe er seinen Arbeitsplatz früher verlassen, weil er sich krank fühlte. Das habe er seinem direkten Vorgesetzten am Arbeitsplatz mitgeteilt und auch das Temporärbüro umgehend darüber informiert. Anschliessend war er fünf Wochen lang nicht mehr arbeitsfähig. Das Personalverleihunternehmen erhielt regelmässig die entsprechenden Arztzeugnisse.
Als der Maler am 2. Dezember die Arbeit wieder aufnahm, habe ihm sein Vorgesetzter gesagt, er solle die Kosten der Krankheitsabwesenheit doch auf die Arbeitslosen- oder die Unfallversicherung überwälzen, berichtet der Kläger anlässlich der Verhandlung. Er habe ihm jedoch klar gesagt, da mache er nicht mit. Das Temporärbüro schulde ihm gemäss Gesamtarbeitsvertrag den Lohn für 30 Tage Arbeitsunfähigkeit. Bis jetzt habe er von seinem Vorgesetzten allerdings keinen Rappen gesehen. Und auch nichts mehr von ihm gehört.
Nach der Krankheit gab es weder Arbeit noch Lohn
An dieser Forderung hält der Maler auch jetzt anlässlich der Hauptverhandlung in Winterthur fest. Zudem behält er sich eine spätere Klage für den Lohn während der Kündigungsfrist vor. Denn das Personalunternehmen habe das Arbeitsverhältnis nie gekündigt, sondern ihm einfach keine Aufträge mehr gegeben, obwohl er sich zur Arbeit zurückgemeldet habe.
Gericht muss den Fall aufgrund der Aussagen des Klägers beurteilen
Die Einzelrichterin muss nun allein gestützt auf die Schilderungen des Malers und die vorhandenen schriftlichen Dokumente einen Entscheid fällen, da die beklagte Partei unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist und vorab auch keine Unterlagen einreichte. Sie heisst die Klage weitgehend gut und verpflichtet das Temporärbüro, dem Kläger rund 5500 Franken zu bezahlen. Das sind knapp 800 Franken weniger, als der Maler gefordert hatte. Grund: Ihm war bei der Berechnung der ausstehenden Löhne ein kleiner Fehler unterlaufen. Diesen hat die Einzelrichterin korrigiert.
Zudem muss das Temporärbüro dem Kläger für seine Umtriebe im Prozess eine Parteientschädigung von 100 Franken überweisen.
Seit kurzem hat der Maler wieder eine Festanstellung – von Temporärjobs hat er die Nase gestrichen voll.
Personalvermittlung: Für Temporäre gilt ein Gesamtarbeitsvertrag
Wer von einer Personalvermittlungsagentur angestellt und dann an einen Einsatzbetrieb verliehen wird, hat nicht weniger Rechte als andere Angestellte. Nur ist seine rechtliche Stellung komplizierter.
Immerhin: Seit Anfang 2012 ist alles einfacher geworden. Seither gilt in der ganzen Schweiz für die Angestellten von Personalverleihern ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Er ist allgemeinverbindlich – er gilt also für alle Angestellten, egal ob jemand in einer Gewerkschaft organisiert ist oder nicht. Ausnahme: Angestellte von Kleinstbetrieben mit einer Lohnsumme von jährlich weniger als 1,2 Millionen Franken sind dem GAV nicht zwingend unterstellt.
Der Vorteil des Gesamtarbeitsvertrages: Er regelt die Mindestarbeitsbedingungen, welche die Betriebe nicht unterschreiten dürfen. Beispielsweise den Mindestlohn, die Höchstarbeitszeit, die Versicherung bei Krankheit, die Pensionskasse und die Kündigungsfristen.
Arbeitgeber im rechtlichen Sinn ist immer der Personalverleiher, nicht der Einsatzbetrieb. Kommt ein Angestellter finanziell zu kurz, muss er sich also immer an seine Personalvermittlungsagentur wenden – und im schlimmsten Fall auch diese vor Gericht einklagen. Der Einsatzbetrieb kann die konkreten Arbeiten anordnen, hat aber sonst keine Arbeitgeberstellung.
Wenn im Einsatzbetrieb ein anderer Branchen-GAV gilt – wie etwa häufig auf dem Bau –, dann geht dieser GAV beim Mindestlohn und bei der wöchentlichen Arbeitszeit vor. In den anderen Punkten gilt hingegen der GAV der Personalverleihbranche.