Leo Walthert (Name geändert) arbeitet als Assistenzarzt in einem Spital in der Nordwestschweiz. Er hat Anrecht auf vier Stunden Weiterbildung pro Woche. Diese ist Teil seiner Facharztausbildung und gesetzlich vorgeschrieben. Sein Spital erhält dafür Geld vom Kanton. Doch nur bei rund 20 Prozent der Assistenzärzte findet die Weiterbildung im vorgeschriebenen Umfang statt. Das zeigte 2023 eine Umfrage des Forschungsinstituts Demoscope unter den Assistenzärzten.
Einer von fünf Ärzten erhielt nur zwei bis drei der vorgeschriebenen vier Stunden Ausbildung pro Woche. Bei über der Hälfte war der Weiterbildungsanteil sogar noch deutlich geringer. Zu dieser Gruppe gehört Leo Walthert. «Auf Papier gibs zwar fixe Weiterbildungszeiten, doch das ist nur pro forma», sagt er. Meist sei er in dieser Zeit im regulären Schichtdienst eingeplant, habe Sprechstunde oder sei im Operationssaal. Manchmal falle die Weiterbildung ganz aus.
«Wenn ich auf den Missstand hinweise, sagt mein Chef, ich solle still sein», sagt Walthert. So komme er selten auf mehr als eine Stunde Weiterbildung pro Woche. Bei den vier Stunden Ausbildung, auf die Walthert Anrecht hätte, geht es um spezifische Weiterbildungen. So sollen etwa Fachärzte mit Assistenzärzten neue Forschungsergebnisse diskutieren, schwierige Operationen simulieren und Spezialfälle besprechen.
Bis zu 35'000 Franken pro Assistenzarzt und Jahr
Auch Assistenzarzt Remo Merz (Name geändert) beklagt die fehlende Weiterbildung an seinem Spital: «Oft habe ich Angst, nicht auf dem neuesten Stand zu sein. Es kam schon zu gefährlichen Situationen für Patienten, weil ich überfordert war.» In die Weiterbildung der insgesamt 13'859 Assistenzärztinnen und -ärzte in Schweizer Spitälern fliesst viel Steuergeld: Die Kantone bezahlen dafür zwischen 15'000 und 35'000 Franken pro Jahr und Arzt. Je nach Fachgebiet und Kanton unterscheiden sich die Beträge.
Zürich, der Kanton mit den meisten Assistenzärzten, bezahlte letztes Jahr gut 35 Millionen Franken an die Weiterbildung. In Nidwalden mit nur wenig Assistenzärzten war es rund eine halbe Million Franken. Insgesamt erhielten die Deutschschweizer Spitäler im vergangenen Jahr rund 130 Millionen Franken für die Weiterbildung junger Ärzte. Der Spitalverband H+ und verschiedene grosse Spitäler schreiben, die Beiträge der Kantone würden für die Weiterbildung nicht ausreichen.
In einigen Kantonen forderten Politiker deshalb höhere Beiträge. Diverse Kantone erhöhten ihre Beiträge in der Folge seit letztem Jahr. Der Kanton Luzern beantragte dem Parlament Anfang September dafür einen Sonderkredit. Für die Qualitätskontrolle der Weiterbildungen ist das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung zuständig. Bisher hat das Institut keinem Spital wegen mangelnder Qualität der Weiterbildung die Akkreditierung als Ausbildungsstätte entzogen. Mit einem Entzug würden Weiterbildungsstellen wegfallen, schreibt das Institut.