Das Alterskapital der Angestellten in der zweiten Säule setzt sich aus ihren persönlichen Beiträgen, denjenigen ihrer Arbeitgeber sowie den Zinsen zusammen, die ihnen die Pensionskassen auf dem Ersparten zahlen. Die Zinsen während der 40 Jahre, in denen Angestellte einzahlen müssen, sind entscheidend für die Höhe des Alterskapitals, das bei der Pensionierung zur Verfügung steht.
Der Bundesrat legt jedes Jahr fest, wie viel Zins die Pensionskassen ihren Versicherten mindestens zahlen müssen. Seit 2017 ist das nur gerade ein mickriges Prozent. Auch für das laufende Jahr setzte der Bundesrat den Mindestzins nicht hinauf, obwohl die Pensionskassen mit dem Geld der Versicherten im letzten Jahr Rekorderträge erwirtschafteten. Die Kassen erzielten dank boomender Börse und konstant guten Gewinnen auf ihren Liegenschaften 2021 im Durchschnitt eine Rendite von über 8 Prozent. Das zeigen die Pensionskassen-Indizes der Grossbanken Credit Suisse und UBS.
Vorsorgewerke von Bund, Post und SBB verzinsen schlecht
Immerhin: Etliche Pensionskassen verzinsen weit mehr, als der Bundesrat vorschreibt. Das zeigt eine Erhebung von saldo bei 50 Kassen. 15 davon zahlen für das Jahr 2021 Zinsen von 5 Prozent und mehr. Am meisten die Pensionskassen von UBS und Raiffeisen mit 9,5 Prozent (siehe Tabelle im PDF). Wie fast alle befragten Kassen wenden sie für die obligatorischen und die überobligatorischen Altersguthaben den gleichen Zinssatz an. Am Ende der Rangliste steht mit 1,75 Prozent Zins das Vorsorgewerk Bund von Publica, der Pensionskasse des Bundes. Auch die Pensionskassen von Post und SBB verzinsen die Alterskapitalien der Versicherten relativ tief. Und die Pensionskasse Stadt Zürich gibt trotz eines sehr hohen Ertrags von 9,4 Prozent nur 2 Prozent an die Versicherten weiter.
Für die Versicherten fallen die Zinsunterschiede stark ins Gewicht: Bei einem Alterskapital von 100 000 Franken bedeuten 9,5 Prozent Zins einen Zuwachs um 9500 Franken. Das sind 7750 Franken mehr als bei einem Zins von nur 1,75 Prozent.
Im Geschäft mit der zweiten Säule mischen auch grosse Versicherungen mit. Rund 700 000 Angestellte sind bei Allianz, Baloise, Helvetia, Pax und Swiss Life mit einer Vollversicherung im Rahmen der zweiten Säule versichert. Solche Lösungen haben den Vorteil, dass für Versicherte und Arbeitgeber kein Risiko von Sanierungsbeiträgen besteht, falls die Pensionskasse schlecht wirtschaftet. Die Versicherungen knausern aber bei den Zinsgutschriften: Den obligatorischen Teil der Altersguthaben verzinsen alle fünf Versicherer für 2021 nur zum Minimum von 1 Prozent, das Überobligatorium teils noch tiefer.
Versicherungen machen keine Angaben zur Rendite
Als Begründung geben sie an, die «hundertprozentige Sicherheit» bedinge eine konservative Anlage. Nur: Keine der fünf Versicherungen sagte saldo, wie viel Rendite sie letztes Jahr mit dem Kapital der Versicherten erzielte. So bleibt unklar, wie viel vom Ertrag in die Reserven oder an die Aktionäre fliesst.
Anna Storz vom Angestellten-Verband Travailsuisse fordert angesichts der guten Renditen einen höheren Mindestzins: «Je näher die Werte der erzielten Rendite und der Verzinsung beieinander liegen, desto besser für die Versicherten.» Der unabhängige Pensionskassenexperte Jürg Jost sagt: «Es gibt nach wie vor viele Kassen, die den Grossteil ihrer Erträge den Reserven und Rückstellungen zuweisen – meist begründet mit übervorsichtigen Annahmen in Bezug auf die Lebenserwartung der Versicherten und die Kapitalrenditen.»
Von diesen Reserven sehen viele Versicherte nichts. Denn wer den Arbeitgeber und deshalb die Pensionskasse wechselt, erhält nur sein Altersguthaben ausbezahlt. Aus den Reserven der bisherigen Kasse gibts keinen Franken.
Das können Versicherte tun
Bei Pensionskassen bestimmt der Stiftungsrat darüber, wie gut das angesparte Alterskapital verzinst wird. Das Gremium setzt sich aus gleich vielen Vertretern der Arbeitgeber und der Angestellten zusammen. Wer mit dem Zins seiner Kasse nicht zufrieden ist, sollte sich an die Angestellten- vertreter im Stiftungsrat wenden und eine Erhöhung fordern. Bei genereller Unzufriedenheit mit der Pensionskasse können Angestellte ihren Arbeitgeber ersuchen, einen Kassenwechsel zu prüfen.