Mitarbeiter des Strassenverkehrsamts Luzern demonstrieren saldo, wie bei Dieselautos die Zahl der ausgestossenen Russpartikel gemessen wird. Schon beim dritten Auto zeigt das Messgerät 5 Millionen Partikel pro Kubikzentimeter an. Das ist 20 Mal so viel wie erlaubt.
Ein funktionierender Partikelfilter hält fast alle Russpartikel zurück. Hat er nur einen feinen Riss, pustet der Motor aber die ultrakleinen Teile in die Umwelt. Ein Dieselauto mit defektem Filter stösst so viele Partikel aus wie 1000 mit funktionierendem Filter. Mit bösen Folgen: Der menschliche Körper kann die Russteile im Nanobereich – nur ein Tausendstel so dünn wie ein Haar – nicht abwehren. Sie können direkt ins Blut und ins Gehirn gelangen. Wer an verkehrsreichen Strassen wohnt, erkrankt eher an Lungenkrebs.
Weitere Folgen sind erhöhter Blutdruck, Arteriosklerose, Herzrhythmusprobleme und Demenz, sagt Bernhard Aufdereggen vom Verein Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz: «Dieselrusspartikel sind eine ernsthafte Gesundheitsgefahr und dürfen auf keinen Fall in die Atemwege gelangen.»
Der Aufwand für die Kontrolle des Filters ist minim
Aufdereggen fordert von den Strassenverkehrsämtern, dass alle mit Diesel betriebenen Fahrzeuge «systematisch, rasch und regelmässig kontrolliert werden». Das seien die Kantonsbehörden der Gesundheit der Bevölkerung schuldig.
Dieselautos müssen seit 2013 – gemäss der Norm Euro 5b – mit einem Partikelfilter ausgerüstet sein. Doch kontrolliert wird die Funktion der Filter erst seit Anfang Jahr.
Dabei ist der Aufwand für eine solche Kontrolle sehr gering: Beim kantonalen Strassenverkehrsamt Luzern steckt ein Fahrzeugprüfer eine Sonde in den Auspuff eines Dieselautos. Über einen Schlauch gelangen die Abgase ins Testgerät, das mit einer Wärmebildkamera die Partikel zählt. Die ganze Prozedur dauert weniger als eine Minute.
Neun Strassenverkehrsämter machen lediglich Stichproben
Die Erfahrungen einiger Strassenverkehrsämter zeigen: Etwa 15 Prozent der getesteten Autos stossen mehr Partikel aus als erlaubt. Von knapp 1,2 Millionen Dieselfahrzeugen dürften somit gegen 180'000 mit einem defekten Filter unterwegs sein. Diese stossen 72 Tonnen Russpartikel pro Jahr aus, wie die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt für saldo berechnete.
Nur zwölf Strassenverkehrsämter kontrollieren alle Dieselfahrzeuge. Neun Ämter – darunter die der bevölkerungsreichsten Kantone – machen lediglich Stichproben. Vier testen laut eigenen Angaben «so viele wie möglich». Schaffhausen kontrolliert erst seit Anfang Mai.
Peter Kiser, Leiter des Strassenverkehrsamts Luzern, kritisiert die lasche Testpraxis vieler Kantone: «Es ist nicht ausreichend, nur stichprobenweise zu kontrollieren. Bei den Bremsen verlässt man sich ja auch nicht auf Stichproben.» In der Strassenverkehrsverordnung vom Februar 2022 steht denn auch klar: «Bei Fahrzeugen mit vorgeschriebenem Partikelfilter ist mindestens eine Messung der Partikelanzahlkonzentration vorzunehmen.» Als die Änderung der Verordnung publiziert wurde, wussten die Strassenverkehrsämter schon seit Jahren von der bevorstehenden Testpflicht.
Bund gewährt Kantonen einen «Ermessensspielraum»
Das Bundesamt für Strassen sieht keinen Handlungsbedarf. Die Kantone hätten «einen Ermessensspielraum», schreibt das Amt auf Anfrage – entgegen dem klaren Gesetzesauftrag. Die Vereinigung der Strassenverkehrsämter sagt, es gebe «wegen der grossen Nachfrage zum Teil zu wenig Messgeräte». Der Chef des Strassenverkehrsamts Luzern lächelt, als er diese Begründung hört: «Wir bestellten die Geräte im September, Anfang Januar waren sie da.»
Aufgepasst beim Autokauf
Besitzer von Dieselfahrzeugen können selbst nicht feststellen, ob der Partikelfilter kaputt ist. Eine entsprechende Anzeige im Auto fehlt. Der Ersatz eines Partikelfilters kostet je nach Fahrzeugmarke und -modell 2000 bis zu 5000 Franken.
Tipp: Stellen Sie vor dem Kauf eines Diesel-Occasionsautos sicher, dass der Partikelfilter noch funktioniert. Entsprechende Tests bieten neben den Strassenverkehrsämtern auch Garagen an. Kosten: rund 50 bis 100 Franken.