Schweinefleisch mit dem Bio-Label ist in den Läden der Grossverteiler zum Teil mehr als doppelt so teuer wie konventionelles. Und es ist auch deutlich teurer als das Fleisch des IP-Suisse-Labels. Für ein konventionelles Kotelett verlangte die Migros Anfang Mai Fr. 12.50 pro Kilo, Coop Fr. 18.–. Deutlich teurer ist das IP-Suisse-Kotelett: Fr. 25.–/kg bei der Migros, Fr. 28.–/kg bei Coop. Für 1 Kilo Bio-Schweinefleisch bezahlen Konsumenten bei der Migros aktuell Fr. 33.–, bei Coop Fr. 34.30.
Viele Kunden geben gern mehr Geld für Fleisch aus tierfreundlicher Haltung aus. Sie gehen beim Bio-KnospeLabel davon aus, dass ihr Kotelett von einem glücklichen Bio-Schwein stammt. So wie etwa die schwarz gefleckten Schweine von Urs und Sandra Rubi in Uttigen BE. Rubis Schweine verbringen einen Grossteil ihrer Zeit auf einer grossen Weide. Mit ihrem Rüssel wühlen sie stundenlang im Dreck und suchen nach Würmern, Käfern und anderen kleinen Tierchen.
Das sei ihre liebste Beschäftigung, sagt Bauer Rubi. Ein Grundbedürfnis, das jede Sau habe. Verhaltensforscher bestätigen das. Mit Bildern von glücklichen Freilandschweinen illustriert auch Bio Suisse, der Verband der Bio-Landwirte, gerne seine Schweinehaltung. Doch mit der Realität hat dies wenig zu tun. Auf geschätzt 90 der 100 grössten Bio-Schweinebetriebe in der Schweiz können Tiere nur von einer Weide träumen. Bio Suisse nennt keine Zahlen. Die Tiere leben von der Geburt bis zur Schlachtung ausschliesslich auf Betonböden. Dort ist ein Wühlen unmöglich.
Zehn Schweine teilen sich einen winzigen Wühlkasten
Bio-Schweine müssen sich mit Stroheinstreu beschäftigen. Sie haben Auslauf in einer betonierten Bucht im Aussenbereich. Es steht ihnen zusätzlich ein minimaler Wühlbereich zur Verfügung: Zehn Schweine teilen sich einen Wühlkasten von einem einzigen Quadratmeter Grösse. Dieser ist mit Holzrindeschnipseln oder Stroh gefüllt. So schreiben es die Mindeststandards von Bio Suisse vor. Das Knospe-Label von Bio Suisse gilt zwar als besonders tierfreundliches Bio-Label.
Für die Schweine ist es das aber kaum. Gemäss den Richtlinien von Bio Suisse haben die Bio-Schweine nicht mehr Platz als die Schweine im IP-Suisse-Programm, das viel laschere Vorschriften kennt als das Bio-Label. Ein achtzig Kilogramm schweres Mastschwein muss mit 1,65 Quadratmeter Platz auskommen. Das ist deutlich weniger, als es die EU vorschreibt: Dort haben Bio-Schweine der gleichen Grösse 1,9 Quadratmeter zur Verfügung. EU-Bio-Ferkel haben sogar einen Viertel mehr Platz als die Schweizer Bio-Ferkel.
Bio Suisse schreibt auf Anfrage, Bio-Schweine würden naturbelassenes Bio-Futter ohne synthetische Aminosäuren fressen, das beruhige die Tiere. Und das viele Raufutter verbessere die Verdauung. Zudem würden Schweizer Bio-Schweinen im Unterschied zu Schweinen in der EU Scheuermöglichkeiten, eine beschattete Aussenfläche mit Dusche oder Suhlen zur Verfügung stehen. Den Tieren mehr Platz geben will Bio Suisse aber nicht.
Bund will strengere Richtlinien zum Wohl der Tiere
Die aktuelle Version der revidierten Bio-Verordnung des Bundes verlangt die Angleichung an die Bio-Richtlinie der EU. Bio Suisse lehnt diese Verbesserungen zum Wohl der Schweine aber ab. Vielleicht auch, weil etliche Bio-Bauern drohen, aus der Schweinehaltung auszusteigen, weil die Mast wegen der schärferen Auflagen nicht mehr gleich profitabel wäre. Auf die Frage, weshalb Bio Suisse die Weide- oder Freilandhaltung für Bio-Schweine nicht zur Pflicht mache, schreibt die Organisation: Die Freilandhaltung sei sehr komplex.
Und Freilandschweine hätten eine andere Fettqualität. Sandra und Urs Rubi sind überzeugt, dass das Fleisch von ihren Weideschweinen besser schmeckt als das Fleisch aus normaler Mast. Seit die Rubis auf Weidehaltung umstellten, brauchen sie kaum mehr Antibiotika. Ihre Schweine sind gesund. Und die Ferkel dürfen zwölf Wochen bei der Mutter säugen – statt nur sechs, wie es die Bio-Richtlinien vorschreiben.
Und Rubis Schweine wühlen neun Monate lang nach Fressbarem in der Erde, bis sie auf dem Hof getötet werden. Normale Bio-Schweine dagegen leben nur sechs Monate auf Beton – und enden nach einem stressigen Transport im Schlachthof.