Ein Gramm Salz kann bis zu 38 Mikroplastikpartikel enthalten. Das zeigt eine Stichprobe, die saldo bei einem spezialisierten Labor in Auftrag gab. Es untersuchte sechs Speisesalze aus dem Detailhandel. Die Preise liegen zwischen 95 Rappen und 110 Franken pro Kilo. Die meisten Kunststoffteilchen waren zwischen 6 und 100 Mikrometer gross. Laut der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit können Plastikteilchen dieser Grösse durch den Darm dringen und sich im Körper anreichern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 60 bis 100 Mikrometer dick.
Der Anteil Plastik pro Kilo Salz reichte von 920 Partikeln im griechischen Meersalz von Migros Sélection bis zu 37 763 Partikeln im «Fleur de Sel» aus Ibiza (Coop). Selbst das Schweizer «Jurasel» und das «Sel des Alpes» aus Bex VS waren mit Kunststoff verunreinigt. Beide Salze werden laut der Herstellerin Schweizer Salinen AG in Pratteln BL aus der Steinsalzschicht in bis zu 400 Metern Tiefe gewonnen. Die Laborexperten beurteilen den Anteil von Plastik in den Proben als «mittel bis hoch».
Umwelttoxikologin Joëlle Rüegg von der Uni Uppsala in Schweden ist überrascht: «Die Gehalte sind hoch im Vergleich zu bisher publizierten Daten.» Das Meer sei stark mit Kunststoffteilchen belastet. Deshalb sind die im Meersalz gemessenen Konzentrationen für sie nachvollziehbar. Erstaunt ist sie aber, dass die Steinsalze der saldo-Stichprobe ähnlich viel oder sogar mehr Mikroplastik aufwiesen als die Meersalze: «In bisherigen Studien enthielten Steinsalze wesentlich weniger Mikroplastik als Meersalze.»
Labor fand fünf verschiedene Plastikarten in den Salzen
Auch die Experten des österreichischen Umweltbundesamts entdeckten im August dieses Jahres in 19 von 20 Speisesalzen Mikroplastik. «Wir fanden in Meersalzen höhere Werte als in Steinsalzen», schreiben sie. Es sei «höchst unwahrscheinlich», dass Steinsalz vor dem Abbau Mikroplastik enthalte: «Steinsalz wurde in einer Zeit abgelagert, als es noch keine Kunststoffe gab.» Zu den Verunreinigungen könne es bei der Salzgewinnung und verarbeitung gekommen sein – etwa durch Geräte, die Kunststoffe enthalten. Plastik habe in Lebensmitteln und in der Umwelt aber nichts zu suchen.
Das Labor fand in den sechs Salzen fünf Plastikarten (siehe Tabelle im PDF). Am stärksten waren die Proben mit Polypropylen belastet. Die Industrie setzt diesen Stoff etwa für Verpackungen oder Rohre ein. Fünf Salze enthielten Polystyrol. Aufgeschäumt ist es als Styropor bekannt. Polyethylenterephthalat (PET) fand sich in der Hälfte der Produkte.
Bereits Babys sind mit Mikroplastik belastet
Im Körper können solche Partikel giftige Chemikalien abgeben: Im Meersalz mit Jod etwa fand das Labor Polyamid. Daraus können sich Oligomere lösen. Sie stehen im Verdacht, Leber und Schilddrüse zu schädigen. Mikroplastik kann auch Dioxin oder Schwermetalle aus der Umwelt aufnehmen und in den Körper schleusen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland fordert deshalb «komplette Transparenz» über die in Plastik verwendeten Stoffe. Laut der Organisation beweisen neuste Studien, dass Mikroplastik auch ins Blut gelangen kann: «Mittlerweile werden Babys geboren, die mit Mikroplastik belastet sind.» Menschen nähmen pro Woche bis zu 5 Gramm Plastik auf. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Der Plastik gerate vermutlich vor allem über Wasser und Nahrung in den Körper. Eine aktuelle deutsch- spanische Studie zeigt, dass Mikroplastik im Körper auch Zellschäden verursachen kann: «Die Partikel können viele biologische Barrieren überwinden und in Kontakt mit der Zellwand kommen.» Dies könne zu «schwerwiegenden Funktionsstörungen der Zellen» führen.
Kein Grenzwert für Mikroplastik in Lebensmitteln
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit sieht kein gesundheitliches Problem. «Für Mikroplastik in Lebensmitteln sind aktuell keine Gesundheitsrisiken zu erwarten», schreibt es. Konsumenten müssten «nicht speziell darauf achten, die Aufnahme von Mikroplastik über Lebensmittel zu reduzieren». Die Schweiz kennt keinen gesetzlichen Höchstwert für Mikroplastik in Lebensmitteln.
Die Schweizer Salinen schreiben, dass in den letzten Jahrzehnten in der Salzgewinnung Werkstoffe wie Metall, Holz und Glas durch solche aus Kunststoff ersetzt worden seien. Dadurch sei das Potenzial für eine Verunreinigung mit Plastik «vermehrt vorhanden». Nicht erklären könne man sich den hohen Polystyrol-Gehalt.
Laut der Migros wird Mikroplastik im Salz nicht analysiert. Man habe aber vom Lieferanten eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Stichprobe verlangt. Der Hersteller des belasteten «Fleur de Sel» aus Ibiza gibt an, die Salze regelmässig auf Mikroplastik zu testen. Die Resultate seien stets unauffällig gewesen. Die Groupe Salin, verantwortlich für das «Fleur de Sel de Camargue», schreibt: «Es gibt weder eine internationale Norm noch eine europäische Verordnung zu Mikroplastik in Lebensmitteln.»
Je kleiner, desto gefährlicher
Ein Labor prüfte im Auftrag von saldo sechs Speisesalze auf Plastikpartikel ab einer Grösse von 6 Mikrometern (0,006 mm). Salz enthält auch Nanoplastikpartikel (kleiner als 1 Mikrometer). Sie entstehen, wenn sich Mikroplastik weiter zerkleinert, und sind kaum messbar. Laut Experten weisen Salze vermutlich sogar mehr Nano- als Mikroplastik auf. Nanoplastik kann alle Arten von Körpergewebe durchdringen und in die Zellen gelangen.