Bei Calida aus Sursee LU erhält man «100% kompostierbare» Boxershorts aus der Industriefaser Tencel. Im Internetshop der Textilfirma Scotch & Soda kann man sich Kleider in «biologisch abbaubarer» Folie zuschicken lassen, die Mais und Zuckerrohr enthält.
Bei La Natura in Jona SG gibt es «kompostierbare Kaffee- und Teekapseln aus «nachwachsendem Rohstoff». Und in Bio- oder Reformläden erhält man die Bolivia-Wild-Schoggi von Natur-Kostbar in Uetendorf BE in einer Folie aus «kompostierbarer Zellulose». Alle Hersteller versprechen, dass sich ihre Produkte nach der Entsorgung natürlich abbauen – ohne Rückstände und Umweltschäden.
Auch kompostierbare Kunststoffe landen in der Verbrennung
Ein Besuch im Kompostier- und Vergärwerk Pratteln BL zeigt jedoch: Die Arbeiter sortieren alle Kunststoffe systematisch per Hand aus dem Bioabfall der Gemeinden und Grossküchen heraus. Anlagenchef Martin Leuenberger sagt: «Ich muss im Bruchteil einer Sekunde entscheiden, ob etwas aus normalem oder abbaubarem Kunststoff besteht. Sicherheitshalber fische ich beides heraus.» So landen mehr als 100 Tonnen Kunststoff pro Jahr in der Verbrennung – darunter auch angeblich kompostierbarer.
Auch Biomasse Suisse, der Verband der Betreiber von Kompostieranlagen, empfiehlt in einem neuen Positionspapier den Mitgliedern, «jede Art von Kunststoff» vor der Behandlung in der Anlage auszusortieren. Grund: «Abbaubare» Kunststoffe bräuchten sechs Monate bei konstant hoher Temperatur, um sich völlig zu zersetzen. Viele Anlagen hätten diese «Laborbedingungen» nicht. Und Biomasse-Geschäftsführer Samuel Gisler warnt: «Erlaubt man die Stoffe in der Grüngutsammlung, werfen die Leute auch normalen Plastik rein.»
Die Kompostwerke kommen schon heute nicht mehr klar mit dem Plastik im Bioabfall. Eine Stichprobe des «K-Tipp» zeigte: Sechs von zehn Gartenerden enthielten sichtbare Plastikteile, die aus dem Kompost stammten («K-Tipp» 5/2023).
Das Kompostwerk Reutmatthof in Fahrwangen AG akzeptiert nicht einmal mehr «kompostierbare» Abfallsäcke – sogenannte Compobags. Auch einige andere Gemeinden untersagen deren Entsorgung im Bioabfall – zum Beispiel Rudolfstetten, Widen, Berikon, Bettwil, Meisterschwanden, Sarmenstorf, Seengen, Uezwil (alle AG) und Schongau LU. Die Anlage in Pratteln macht eine Ausnahme: Compobags bauen sich dort laut Anlagenchef Leuenberger restlos ab.
Calida schreibt, man empfehle, die Unterwäsche im Garten zu kompostieren oder in die Läden zurückzubringen. La Natura sagt, auf der Verpackung stehe der Hinweis, beim kommunalen Abfallbetrieb nachzufragen, bevor man die Kaffeekapseln entsorge.
Compobags: Viele Gemeinden verbieten Entsorgung im Bioabfall
«Abbaubare» Kunststoffe gehören in der Regel nicht in den Bioabfall. Die Gemeinde gibt Auskunft darüber, ob man Compobags im Bioabfall entsorgen darf. Falls ja, sollte man die Säcke nicht verknoten. Laut Martin Leuenberger vom Kompostier- und Vergärwerk Pratteln BL «verrotten sie sonst nicht ganz». Bevor man Obst oder Schalen wegwirft, sollte man allfällige Plastikaufkleber entfernen – denn sie können nicht abgebaut werden.
Rohstoffe stammen aus der Landwirtschaft
Die Rohstoffe von angeblich abbaubaren Kunststoffen stammen in der Regel aus der landwirtschaftlichen Produktion. Das sind zum Beispiel Mais, Stärke, Polymilchsäure, Zellulose, Holzfasern oder PET aus Zuckerrohr. Deshalb werden sie vielfach auch als Agrokunststoffe bezeichnet.