Wie gut lebten die Tiere, bevor sie als Schnitzel auf dem Teller landen? Wie stark belastet die Produktion eines Lebensmittels die Umwelt? Diese Fragen will die Migros mit dem «M-Check» beantworten – nach den zwei Kriterien Tierwohl und Klimaverträglichkeit. Die Bewertungsskala reicht von einem bis fünf Sternen. Seit März stehen die ersten Lebensmittel mit dem «M-Check»-Aufdruck im Regal.
Die Migros spricht bei der Selbstdeklaration von «100 % Transparenz». Tatsächlich sind die Kriterien im Internet veröffentlicht. Die Bewertungsraster stammen von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen BE sowie der unabhängigen Ökobilanzierungsfirma Treeze in Uster ZH.
Doch viele Bewertungen sind verwirrend:
Alle Poulets der Marke Optigal erhalten beim Tierwohl vier Sterne. Die Tiere werden nach dem Standard «besonders tierfreundliche Stallhaltung» aufgezogen – dieser geht kaum über die gesetzlichen Mindestanforderungen zur Tierhaltung hinaus. Ein Masthuhn hat im Stall nur Platz in der Grösse eines A4-Blattes (saldo 20/2018).
Poulets der Linie «M-Classic» werden nach denselben Richtlinien gehalten wie die Optigal-Tiere – erhalten aber einen Stern weniger beim Tierwohl. Die Migros schreibt dazu auf Anfrage, für die Marke Optigal würden strengere Richtlinien bezüglich Verlad und Transport gelten.
Die «Bio-Poulet-Oberschenkel» stammen wie das Fleisch der Marke Optigal aus der Schweiz. Das konventionelle Optigal-Poulet erhält aber drei von fünf Klima-Sternen, das Bio-Produkt nur zwei. Die Migros begründet das damit, dass bei Optigal schnellwachsende Rassen zum Einsatz kämen, die weniger lange leben und so weniger Futter verbrauchen würden. Das sei besser für die Umwelt.
Auf der Verpackung des «Sélection Irish-Beef Rindsentrecôte» steht: «Die meiste Zeit des Jahres bewegen sich die Rinder draussen auf den saftigen Weiden.» Die Tiere würden mit Gras gefüttert. Trotzdem erhält das Produkt nur einen Stern beim Tierwohl. Die Migros schreibt dazu, es seien noch «gewisse Belege zu Tierwohlkriterien ausstehend». Bis dahin könne das Produkt noch nicht abschliessend bewertet werden.
Sowohl Bio-Milch als auch konventionelle Milch bewertet die Migros beim Tierwohl mit vier Sternen – obwohl an Bio-Kühe höhere Anforderungen gestellt werden, vor allem betreffend Auslauf. Die Migros gibt zu, dass es «gewisse Unterschiede» gebe. Dass alle Trinkmilch-Produkte vier Sterne haben, sei Rundungen bei der Bewertung geschuldet.
Lasche Kriterien beim Tierwohl
Fleischprodukte schneiden beim Kriterium «Tierwohl» generell mit mindestens drei Sternen ab, wenn bloss die Mindestanforderungen des Tierschutzgesetzes eingehalten wurden. Von echtem Tierwohl kann dabei aber keine Rede sein: Das Bundesamt für Landwirtschaft kam 2013 zum Schluss: «Die Ausführungsbestimmungen des Tierschutzrechts legen nicht fest, was tiergerecht ist, sondern was dem Tier noch zugemutet werden kann.» Die Vorschriften definieren also nur die Grenze zur Tierquälerei.