Bundesrat Alain Berset erteilte der Versandapotheke Zur Rose Mitte April eine Abfuhr. Das Thurgauer Unternehmen hatte um eine befristete Sondererlaubnis gebeten, um in der Coronakrise rezeptfreie Medikamente zu verschicken. Doch Berset lehnte das ab. Begründung: Die Versorgung der Bevölkerung funktioniere gut. Es gebe keine Veranlassung, das bestehende Verbot aufzuheben.
Laut Gesetz ist der Versandhandel mit Arzneimitteln untersagt, sofern für das Medikament kein ärztliches Rezept vorliegt. Das heisst: Auch für rezeptfreie Medikamente braucht es ein ärztliches Rezept, wenn man über eine Versandapotheke bestellt.
Konkret: Arzneimittel wie Bepanthen-Wundsalbe, Voltaren-Dolo-Schmerztabletten oder eine Fenistil-Salbe gegen Insektenstiche bekommt man ohne Rezept in der Apotheke. Patienten können sich die Medikamente auch ohne Rezept von einer Versandapotheke aus dem Ausland zuschicken lassen. Aber eine Schweizer Versandapotheke darf ihnen die Präparate nicht nach Hause senden. Daran ändert auch nichts, dass die Versandapotheke Zur Rose betont, dass jeder Besteller rezeptfreier Arzneimittel einen Fragebogen zu seiner Gesundheit ausfüllen muss und zwei Apotheker jede Bestellung überprüfen.
«Das Verbot ist angesichts der Nachfrage ein Hohn»
Der St. Galler Nationalrat Marcel Dobler (FDP) findet das Verbot «absurd». Ihn ärgert, dass der Bundesrat fordert, dass jeder zu Hause bleibt. «Gleichzeitig zwingt er aber ausgerechnet die Kranken und Risikopatienten, für problemlose Präparate in die Apotheke zu gehen.»
Für den Luzerner Ständerat Damian Müller (FDP) ist das Verbot «angesichts der gestiegenen Nachfrage ein Hohn». Auch die Patientenstellen und die Krankenkassenverbände Curafutura und Santésuisse fordern eine Abschaffung des Verbots. Für Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands der Schweizer Patientenstellen, müssen Apotheken und Versandapotheken «die gleichen Rechte und Pflichten haben». In über 20 europäischen Ländern dürfen Patienten ihre Medikamente bei einer Versandapotheke bestellen.
Gegen eine Öffnung wehrt sich der Apothekerverband Pharmasuisse. Eine Sprecherin behauptet: «Der Versand geht zulasten der Sicherheit der Patienten.» Kaufe man rezeptfreie Medikamente in der Apotheke, würde die «direkte Fachberatung durch hochqualifiziertes Personal» sicherstellen, dass man die richtigen Arzneimittel in der richtigen Dosis erhalte und diese sich untereinander vertragen. Die Behandlungssicherheit würde am besten durch eine direkte Beratung von Ärzten, Apothekern oder Drogisten gewährleistet.
In der Praxis taugt die Beratung oft wenig. Zum Beispiel warnten bei einer Stichprobe jüngst 14 von 20 Apotheken die Käufer nicht, dass zwei Medikamente gesundheitsschädliche Wechselwirkungen haben können (saldo 8/2019).
Apotheker und Ärzte verteidigen ihre Pfründe. Es geht um rund 900 Millionen Franken pro Jahr. So viel geben Menschen in der Schweiz jährlich für rezeptfreie Arzneimittel aus. Davon kassierten die Apotheker bisher über 600 Millionen, die Ärzte und Drogerien 300 Millionen Franken.