Der Kläger besitzt ein Kampfsportstudio. Er ist groß, durchtrainiert und Mitte 50. Im Verhandlungsraum des Bezirksgerichts Dielsdorf ZH sitzt ihm der eher schmächtige und einige Jahre jüngere Beklagte gegenüber. Beide sind ohne Anwalt vor dem Einzelrichter erschienen. Es geht nur um eine geringfügige Forderung.
Der Kläger schildert den Sachverhalt. Seit August 2011 besuchte der Beklagte bei ihm Kampfsportkurse. Der Preis betrug gemäss dem schriftlichen Vertrag 990 Franken pro Jahr. Darin war auch geregelt, dass sich der Vertrag jeweils automatisch um ein Jahr verlängerte, sofern er nicht mindestens einen Monat vor dem Ablauf des Jahres gekündigt wurde. Der Beklagte habe die 990 Franken immer bezahlt. Nie habe es ein Problem gegeben.
Im Oktober 2015 habe er jedoch gemerkt, dass der Beitrag für die Periode August 2015 bis Juli 2016 noch offen sei. Er habe deshalb eine Mahnung geschickt. Nach der zweiten Mahnung hätte er mit dem Beklagten telefoniert: «Er hat mir gesagt, er werde den ausstehenden Jahresbeitrag bezahlen.» Leider sei das aber nicht geschehen, deshalb habe er die Betreibung eingeleitet.
«Falsch», ruft der Beklagte dazwischen. Er habe dem Kläger am Telefon mitgeteilt, dass er sich am Arm verletzt habe und deshalb nicht mehr ins Training kommen könne. Zudem sei er arbeitsbedingt bereits im Vorjahr nur noch selten aufgetaucht. Damals habe er die 990 Franken trotzdem bezahlt: «Jetzt wollte ich nicht nochmals den Gönner spielen.»
Wegen einer Verletzung war kein Training mehr möglich
Der Inhaber der Kampfsportschule blickt etwas irritiert zum Richter. «Der Vertrag verlängert sich auch, wenn jemand nicht regelmässig trainiert. Ausser man kündigt rechtzeitig.» Der Beklagte habe aber nie gesagt, dass er den Vertrag kündigen wollte. Als Inhaber der Kampfsportschule sei es für ihn existenziell, dass die Jahresbeiträge bezahlt werden. «Das Training findet statt, egal ob zwanzig Teilnehmer kommen oder bloß zwei aufkreuzen.»
Der Beklagte wirkt etwas unsicher. Bis Juli 2014 sei er mindestens zwei Mal pro Woche im Training gewesen. Das habe sich aber geändert, seit er eine neue Freundin mit zwei Kindern habe. Jetzt fragt ihn der Richter, ob er gewusst habe, dass er den Vertrag fristgerecht hätte kündigen müssen. Der Beklagte gesteht kleinlaut ein: «Ja, aber wegen der vielen Arbeit und der neuen Freundin habe ich es versäumt.»
Für den Richter ist die Sache klar. Der Vertrag habe sich gemäß Wortlaut jeweils automatisch um ein Jahr verlängert. Der Beklagte habe den Kündigungstermin für das Jahr 2015/2016 verpasst. Deshalb sei der Jahresbeitrag von 990 Franken geschuldet.
Der Richter vermittelt zwischen den Kontrahenten
Der Richter wendet sich an den Besitzer der Kampfsportschule. Ob er dem Kläger nicht entgegenkommen wolle? Er schlage vor, dass der Beklagte die Inkassokosten von 330 Franken übernehme, die 100 Franken Friedensrichterkosten und die Kosten des Bezirksgerichts von 250 Franken. Und dazu noch einen Teil von 320 Franken an den offenen Jahresbeitrag. Total: 1000 Franken.
Der Besitzer der Kampfsportschule schüttelt zuerst mal den Kopf. Ihm stünden doch eigentlich 990 Franken plus Inkasso- und Gerichtskosten zu, meint er. Doch schließlich erklärt er sich mit der reduzierten Summe einverstanden. Der Beklagte wirft ihm einen dankbaren Blick zu.
Viele Roll-over-Klauseln sind nicht gültig
Automatische Verlängerung. Verträge von Fitnesscentern verlängern sich meist automatisch. Auch bei Handy- oder Partnervermittlungsverträgen ist das oft der Fall. Das heisst: Wer den richtigen Kündigungstermin verpasst, ist vertraglich für ein weiteres Jahr gebunden. Wenn eine solche Roll-over-Bestimmung im Kleingedruckten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt ist, ist die Klausel ungültig. Eine automatische Verlängerung ist nur korrekt, wenn sie gut leserlich auf der Seite des Vertrags vermerkt ist, auf der die Unterschrift steht.