Verlockender Griff in die Kasse
Jährlich erhalten die Deutschschweizer Kantone und das Tessin über 300 Millionen Franken aus den Landeslotterien. Ein Professor kritisiert: Die Regierungen vergreifen sich an diesen Geldern.
Inhalt
saldo 10/2014
28.05.2014
Lara Wüest
Laut neusten Zahlen erhielten die Deutschschweizer Kantone und der Kanton Tessin von der Landeslotterie Swisslos 2013 insgesamt 337 Millionen Franken. Ein Jahr zuvor waren es 326 Millionen Franken. Laut Bundesverfassung müssen die Kantone dieses Geld für gemeinnützige Zwecke einsetzen – namentlich in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport.
Vom Gastauftritt an der Olma bis zu Notgrabungen
saldo kritisierte bereits mehr...
Laut neusten Zahlen erhielten die Deutschschweizer Kantone und der Kanton Tessin von der Landeslotterie Swisslos 2013 insgesamt 337 Millionen Franken. Ein Jahr zuvor waren es 326 Millionen Franken. Laut Bundesverfassung müssen die Kantone dieses Geld für gemeinnützige Zwecke einsetzen – namentlich in den Bereichen Kultur, Soziales und Sport.
Vom Gastauftritt an der Olma bis zu Notgrabungen
saldo kritisierte bereits mehrmals, dass die Politiker mit Lotteriegeldern sehr freimütig umgehen (saldo 19/12 und 4/13). Gleicher Meinung ist Benjamin Schindler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen. Er konstatierte kürzlich in einer juristischen Fachzeitschrift: «Oft ist es der Griff der Regierung in die Kasse des Lotteriefonds, mit welchem sich eine Finanzierungslücke schliessen lässt.» Egal, ob es dabei um einen Gastauftritt eines Kantons an der Olma, eine Moskaureise einer Wirtschaftsdelegation oder dringende Notgrabungen des Kantonsarchäologen gehe. Bei solchen Ausgaben handle es sich aber häufig nicht um gemeinnützige Ausgaben.
Das belegen drei aktuelle Beispiele:
- Der Zürcher Kantonsrat bewilligt aus dem Lotteriefonds 1,5 Millionen Franken für den Auftritt des Kantons an der Luzerner Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung 2015. Das sei sehr wohl gemeinnützig, weil aus dem Messeauftritt «kein wirtschaftlicher Nutzen entsteht», sagt Roger Keller, Kommunikationschef der Zürcher Finanzdirektion.
- Der Kanton Basel-Stadt gibt alljährlich aus dem Lotteriefonds zwischen 30 000 und 70 000 Franken für ein Fest zur Entlassung der Wehrmänner aus: «Das ist eine halböffentliche festliche Veranstaltung, also im weiteren Sinn ein kultureller Anlass», sagt dazu Martin Schütz, Mediensprecher des kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt.
- Für die Durchführung der Delegiertenversammlung in Herisau erhält die CVP Schweiz vom Kanton Appenzell Ausserrhoden einen Beitrag aus dem Lotteriefonds. Joe Müggler, Sekretär des Finanzdepartements, sieht darin kein Problem. Das Bild des Kantons würde durch solche Anlässe «positiv geprägt». Im Gegenzug unterstütze man Veranstalter mit «Sympathiebeiträgen» von total höchstens 20 000 Franken pro Jahr.
Waadt: Für die Vergabe des Geldes ist nicht der Kanton zuständig
Schindler sieht das anders: «Der Zürcher Auftritt an der Luga hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun.» Und die Verabschiedung von Wehrmännern «müsste aus dem Militärbudget bezahlt werden». Die «freie Vergabe von Lotteriegeldern» für die Finanzierung eines Parteianlasses sei grundsätzlich heikel.
Anders als in den restlichen Kantonen sind im Kanton Waadt für die Geldvergabe zwei privatrechtliche Stiftungen – und nicht Regierung oder Parlament – zuständig. Ausschlaggebend ist die fachliche Kompetenz. Schindler findet dieses Modell vorbildlich: «Nur Fachleute können wirklich einschätzen, ob die vom Bund vorgegebenen Kriterien erfüllt sind.» Auch die Unabhängigkeit erachtet er als wichtig. «Wenn die gleichen Leute über das Kantonsbudget und die Vergabe der Swisslos-Gelder entscheiden, entsteht ein Interessenkonflikt.»
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