Kostenlose Medien-Internetportale finanzieren sich meist über Werbeeinnahmen. Ihr Problem: Zwei Drittel der Internetnutzer empfinden Werbung als störend. Das ergab eine Umfrage der Beratungsfirma Pricewaterhouse-Coopers im Jahr 2019.
Bekannte Internetmedien wie Watson.ch, Blick.ch und 20min.ch setzen deshalb vermehrt auf sogenannte «Native Ads». Das sind Artikel, die als normale journalistische Beiträge verpackt, in Wahrheit aber von einem Werbekunden bezahlt und teils auch gleich selbst geschrieben sind. Drei aktuelle Beispiele (siehe Bilder im PDF):
- Watson.ch (AZ Medien) brachte einen Text über «5 Raclette-Facts zum Staunen und Weitererzählen». Er stammt von der Organisation Schweizer Milchproduzenten Swissmilk.
- Blick.ch (Ringier) veröffentlichte einen Artikel über die Reduktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft – bezahlt von der Organisation «Schweizer Fleisch».
- 20min.ch (TX Group) publizierte einen Beitrag über einen Spray gegen Haarausfall – entstanden in Zusammenarbeit mit der Verkäuferfirma WDS Innovation GmbH.
Mit solchen Artikeln tarnen die Verlage Werbung als Journalismus. «20 Minuten» schreibt im Impressum: Gesponserte Artikel würden von einem eigenen Team «journalistisch aufbereitet» und seien «identisch» gestaltet wie redaktionelle Artikel. Beim «Blick» sorgen nach Angaben von Ringier ehemalige Journalisten dafür, dass ein Werbeartikel «emotionaler» daherkommt und «nicht übersehen wird». Und Watson.ch schreibt, gesponserte Artikel seien «vom Werbekunden ermöglichter journalistischer Inhalt».
Werbehinweise in kleiner Schrift werden kaum wahrgenommen
Die Verlage kennzeichnen die gesponserten Artikel auf ihren Websites unterschiedlich. Watson.ch schreibt sie mit «Promotion» an, 20min.ch nennt sie «Paid Post» und Blick.ch erwähnt, dass es sich um einen «bezahlten Beitrag» handle. Die Hinweise erscheinen bei Watson.ch und 20min.ch in kleiner Schrift über dem Titel des Artikels, bei Blick.ch zwischen Titel und Lauftext.
Allerdings: 35 Prozent der Leser nehmen solche Hinweise nicht wahr. Das zeigt eine im letzten Herbst publizierte Studie von Guido Keel, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Befragt wurden 1800 Personen. 6 von 10 Lesern erkannten einen bezahlten Artikel bei Watson.ch nicht als gesponserten Werbebeitrag. Keel mass mit einem Eye-Tracking-Experiment auch, wohin die Augen der Testpersonen beim Lesen der Artikel blicken. Resultat: Auf Blick.ch nahmen nur 7 von 23 Personen den Sponsoring-Hinweis wahr, auf Watson.ch sogar nur 1 von 24 Personen. Einige Testpersonen lasen den Hinweis zwar. Aber sie verstanden nicht, was die wohl absichtlich auf Englisch verwendeten Begriffe wie «Promotion», «Paid Post» und dergleichen bedeuten. So hatten zum Beispiel 31 Prozent der Befragten keine Ahnung, ob der Werbekunde beim Hinweis «Paid Post» (bezahlter Beitrag) den Inhalt des Artikels bestimmen kann oder nicht.
Gegenüber saldo schreiben CH-Media, TX Group und Ringier, sie würden auf eine saubere Trennung von redaktionellen und gesponserten Artikeln Wert legen. Doch keiner dieser Verlage will aufgrund der Studienresultate Massnahmen ergreifen.
«Solche Beiträge sollen nicht als Werbung erkannt werden»
Der Presserat und die Eidgenössische Medienkommission kritisieren die Tarnung von Werbung als Journalismus seit Jahren. Die Medienkommission forderte bereits 2019, dass Werbeartikel «unzweideutig und sofort erkennbar» sein müssten, etwa durch die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten und -farben. Einzig Watson.ch setzte diese Forderung teilweise um: Die Titel von gesponserten Beiträgen sind in hellblauer Farbe, jene von redaktionellen Artikeln sind schwarz.
Der Presserat kritisierte seit 2019 in drei Fällen, dass Blick.ch und Internetmedien von Tamedia Werbung und redaktionelle Inhalte nicht trennten. Dazu Studienleiter Guido Keel: «Die Idee solcher Beiträge ist es ja gerade, dass sie nicht als Werbung erkannt werden.» Würden die Verlage die gesponserten Artikel deutlicher als Werbung kennzeichnen, würden sie Werbekunden verlieren.