Kontrolleure der Kantonslabore Bern, Basel-Stadt, Solothurn, St. Gallen, Tessin, Zug, Wallis und Zürich testeten im Sommer 2021 in Läden rund 800 Waren aus Plastik. 154 schickten sie ins Labor. 49 davon enthielten mehr Weichmacher als erlaubt. Darunter waren Flipflops, Handyhüllen und Kinderetuis. Einige Produkte überschritten den Grenzwert um das 500-Fache.
Weichmacher machen Kunststoffe wie PVC elastisch. Sie können beim Menschen zu Unfruchtbarkeit führen, das Erbgut schädigen und möglicherweise Krebs auslösen. Denn Weichmacher wirken wie Hormone schon in kleinsten Mengen. Man nimmt sie über den Mund sowie die Haut auf.
Zu viel Weichmacher wiesen unter anderem folgende Produkte auf: das Spielgebiss «Character Dentures» des italienischen Herstellers Widmann, das Schüleretui von Oxybag namens «Diamond Collection. Faulenzer» und das Kinderportemonnaie der gleichen Marke, ein grasgrünes Kinderkabelschloss von Prophete sowie ein «Panzerkabelschloss 800 mm» des Herstellers Trelock.
Die Kantonschemiker untersagten den Verkauf. Die Händler mussten die Produkte aus den Regalen räumen. Die Kantonslabore publizieren allerdings keine Produktnamen oder Verkaufsstellen (siehe Kasten).
Doch einige belastete Produkte sind noch immer in der Schweiz erhältlich, wie saldo-Recherchen zeigen. So verkauft etwa Pearl.ch einen beanstandeten Gartenschlauch von Royal Gardineer. Gurtbezüge «Fifa World Rally» der Marke WRC gibt es auf Amazon.de, Autodoc.ch sowie Auto-teile.ch zu kaufen. Das Labor fand zu viele Phthalate in der Hülle. Ackermann.ch und Jelmoli-shop.ch verkaufen die Kunstpflanze «Cannablatt Real Touch», obwohl das Basler Kantonslabor dies verbot.
Pearl, Amazon und Autodoc schreiben, von Grenzwertüberschreitungen ihrer Produkte keine Kenntnis gehabt zu haben. Nach der Konfrontation mit der saldo-Recherche entfernten Pearl und Autodoc die Produkte sofort aus dem Sortiment.
Harald Friedl vom Basler Kantonslabor betont, dass die Verkaufsverbote im ganzen Land gelten. Es könne aber vorkommen, dass Direktimporteure die verbotenen Produkte unbemerkt verkaufen. Die Kantonslabore hätten keine Möglichkeit, das zu kontrollieren. Dabei wäre die Kontrolle kinderleicht – dank einer einfachen Recherche im Internet, wie saldo es machte.
Nur drei Kantonslabore informierten offen
saldo verlangte von den Kantonslaboren gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz die Artikelbezeichnungen der verbotenen 49 Produkte. Die Labore der Kantone Basel-Stadt, Wallis und Bern gaben die Listen rasch heraus. Sie gewichteten den Gesundheitsschutz der Bevölkerung höher als die Geschäftsinteressen der Hersteller.
Das Kantonslabor Zürich lieferte die Daten erst nach fünf Monaten. Das Kantonslabor Zug gab nur allgemeine Angaben heraus, mit denen sich keine Produkte identifizieren lassen. Kein einziges Labor ausser demjenigen des Kantons Tessin nannte die Verkaufsstellen der verbotenen Produkte beim Namen.