Velofahren ist gesund, schont das Klima und senkt das Staurisiko. Das sagte der Gesamtbundesrat Ende August. Doch Velofahren ist auch gefährlich. Die Zahl der Unfälle steigt bei den Velofahrern in der Schweiz, anders als bei den übrigen Verkehrsteilnehmern. Innerhalb der letzten drei Jahre nahm sie um 13,3 Prozent zu.
Besonders gefährdet sind Velofahrer in Kreiseln. In jeden dritten Unfall in einem Kreisel ist ein Velo involviert – auf Kreuzungen nur in jeden fünften. Dies zeigen Zahlen des Bundesamts für Strassen. Es hat alle 32 351 Velounfälle mit Verletzten oder Getöteten zwischen 2005 und 2014 ausgewertet. Unfälle mit E-Bikes wurden nicht mitgezählt. Demnach sind Velofahrer nur bei 28 Prozent aller Kollisionen mit Motorfahrzeugen die Hauptunfallverursacher. In 60 Prozent der Fälle sind es die anderen Verkehrsteilnehmer. Und: Kreisel bergen «ein vergleichsweise hohes Unfallrisiko für Velofahrende».
Kreisel in der Region Thun ausgesprochen gefährlich
saldo analysierte, in welchen Kreiseln Velofahrer besonders gefährdet sind. Dazu wurden die offiziellen Unfalldaten von 2011 bis 2015 ausgewertet. Berücksichtigt sind alle Kreiselunfälle mit Verletzten und Toten. Die Daten stammen vom Bundesamt für Strassen und wurden mit jenen der jeweiligen Kantonspolizei abgeglichen.
Resultat: In der Region Thun BE gibt es besonders viele unfallträchtige Kreisel. Allein beim Kreisel in der Allmendingenallee gab es in fünf Jahren 22 Velounfälle, 4 davon mit Schwerverletzten. Thuns Nachbargemeinde Steffisburg zählte 16 Velounfälle in einem Kreisel, 6 mit Schwerverletzten (siehe Tabelle im PDF).
Über beide Kreisel führen zwei nationale Velolandrouten («Aare-Route», «Alpenpanorama-Route») und regionale Velowege. Das Veloaufkommen ist hoch. Die Velos treffen auf Gemeindestrassen mit bis zu 11 000 Fahrzeugen pro Tag.
Ein weiterer unfallträchtiger Kreisel liegt am Maulbeerplatz beim Bahnhof Thun. Darüber führen 17 Buslinien, 2 nationale Velolandrouten sowie kommunale Veloverbindungen.
Der Fachstelle für Langsamverkehr des Kantons Bern sind die unfallträchtigen Kreisel im Berner Oberland ebenfalls aufgefallen. Eine jüngst durchgeführte Auflistung der rund 320 Kreisel des Kantons ergab: Lediglich in 16 Kreiseln gibt es eine Häufung von Velounfällen. 8 davon liegen in der Region Thun. Die Fachleute rätseln über die Gründe. Man habe bei den unfallträchtigen Kreiseln teilweise örtliche Besonderheiten festgestellt, sagt Oliver Dreyer von der Fachstelle.
Unfallträchtige Kreisel sind oft falsch angelegt
Mögliche Gründe für die Velounfälle in Kreiseln:
Überbreite Fahrbahn. Die Mittelinsel im Thuner Kreisel Allmendingenallee ist sehr klein, damit die Gelenkbusse der Verkehrsbetriebe gut durchkommen. Autofahrer können nahezu ungebremst durchfahren.
Einmündung nicht mittig. Im Kreisel in Steffisburg BE führt eine Spur der Schwäbisstrasse so weit am Mittelpunkt der Kreiselinsel vorbei, dass Autofahrer zügig durchfahren können. Einfahrten sollten auf die Kreiselmitte zielen, damit ein Abbiegen und Abbremsen nötig wird.
Durchsichtige Kreiselinsel. Laut Beratungsstelle für Unfallverhütung muss die Mittelinsel eines Kreisels erhöht und mit Pflanzen oder dekorativen Elementen versehen sein, damit die Durchsicht schlecht ist. Mangels Übersicht schaut der Autolenker eher nach links und beachtet so den Vortritt.
Die Organisation Pro Velo Thun führt die Häufung von unfallträchtigen Kreiseln in der Region auf unsachgemässe Planung zurück. «Die Stadt zeigt bei Kreiselprojekten wenig Sensibilität für die Sicherheitsbedürfnisse der Velofahrenden», sagt Präsident René Lüthi. Die Prioritäten lägen beim motorisierten Verkehr.
Die Stadt Thun weist die Vorwürfe zurück. Thun habe 25 Kreisel und ein vergleichsweise hohes Veloaufkommen, sagt Gemeinderat Konrad Hädener. Trotzdem sei jeder Velounfall einer zu viel. Beim Kreisel an der Allmendingenallee habe man vergangenes Jahr ablenkende Werbung entfernt und die Beleuchtung angepasst. Der Kreisel an der Allmendstrasse werde zurzeit zu einer lichtsignalgesteuerten Kreuzung umgebaut.
Für den Maulbeerplatz hat die Stadt Thun aber kein Verbesserungskonzept. Dieser stehe unter «Dauerbeobachtung», erklärt Hädener. Die Gemeinde Steffisburg sagt, der Kreisel an der Mittelstrasse liege ab Ende 2017 in einer Tempo-30-Zone, was die Situation entschärfe.
Die Stadt Zürich handelt entschlossener: Sie trägt noch dieses Jahr beim Unfallschwerpunkt am Letzigrund-Kreisel rote Warnfarbe auf. Sie plant zudem, den Velostreifen vom rechten Rand wegzunehmen und die Velofahrer in die Strassenmitte zu führen.
So sollten Velos Kreisel befahren
Velofahrer dürfen seit 1994 in der Mitte der Fahrbahn durch den Kreisel fahren. Seit 2016 gilt dies auch für zweispurige Kreisel. Autos sollten deshalb vor und im Kreisel keine in der Mitte fahrenden Velofahrer überholen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Beratungsstelle für Unfallverhütung von 2016 kennen 46 Prozent der Velofahrer diese Regel nicht. Bei den Autofahrern sind 56 Prozent ahnungslos.
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Überreglementiert
Wenn man weiss, wieviele Fachleute beim Planen eines Kreisels ihr bestes Wissen anbringen, Bund,Kanton und Gemeinden ihre Vorschriften einbringen, BFU und andere Strassenbenützerorganisationen ein Mitspracherecht haben; dann haben vermutlich einige Fachleute bei den betreffenden Kreiseln versagt......