Sämtliche ungenauen Stromzähler in den Schweizer Haushalten sind ersetzt – jedenfalls fast. Das vermeldet «Metinfo», die Zeitschrift für Metrologie des Eidgenössischen Instituts für Metrologie. Das Amt ordnete nach einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vor zwei Jahren den Austausch von 45 000 Zählern an, weil diese den Strombezug zulasten der Kunden falsch gemessen hatten. Ende 2013 waren noch 1500 ungenaue Zähler in Betrieb, welche ebenfalls demnächst abgeschraubt würden. Wahr oder nicht, die Leserschaft kann das nicht beurteilen – und sie weiss auch nicht, weshalb nicht alle Zähler ersetzt wurden. Sie muss den Artikel zur Kenntnis nehmen wie eine behördliche Verlautbarung. Denn «Metinfo» wird von Bundesangestellten geschrieben.
Interessant ist ein Artikel über die «Gesetzlichen Vorschriften für Taxameter» in der gleichen Ausgabe: Bis 2016 sollen sich Taxikunden landesweit darauf verlassen können, dass alle Taxameter in der Schweiz dieselben Genauigkeitsanforderungen erfüllen. Andere Artikel in der Zeitschrift sind im Vergleich dazu ziemlich abgehoben, wie etwa die Titelgeschichte über die «Dynamische Tunnel-Licht-Messung».
«Metinfo» erscheint zweimal jährlich in einer Auflage von 4500 Exemplaren. Die Zeitschrift ist eine der zahlreichen Publikationen des Bundes, die durchwegs in geringen Auflagen unter Ausschluss einer breiteren Öffentlichkeit erscheinen. Beim Bund kennt niemand die genaue Zahl dieser Publikationen. Genauso unbekannt sind die Kosten.
Der Bund zahlt und bestimmt den redaktionellen Inhalt
Die Grenze zwischen regelmässig erscheinenden Informationsbroschüren, Newslettern und redaktionell ausgebauten Heften der einzelnen Bundesämter ist fliessend, das thematische Spektrum weit: Es reicht von der Zeitschrift «Terra cognita» der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen über die jährlich publizierte Schweizerische «Gesamtenergiestatistik» bis zur unregelmässig erscheinenden Arzneimittelpublikation «Pharamacopea» von Swissmedic. Diese richtet sich an ein Fachpublikum. Alle Publikationen zusammen genommen, dürfte der Bund einer der grössten Verleger des Landes sein. saldo hat fünf der Hefte genauer angeschaut.
Den Publikationen ist eines gemeinsam: Die Leserschaft findet darin allgemein fassbare Artikel neben Texten, die in einer für die meisten kaum verständlichen Sprache geschrieben sind. Und in jedem Fall muss die Leserschaft wissen, dass sie auf keine redaktionell unabhängige Redaktion zählen darf. Für die Kosten der Publikationen kommt die Bundeskasse auf.
«Die Volkswirtschaft»: Aufwendige Produktion mit Werbecharakter
Ein typischer Fall für Behördenverlautbarungen ist die monatlich erscheinende Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco. Der Hauptartikel läuft unter dem anschaulichen Titel «Big Data: Sind Daten das Erdöl des neuen Jahrtausends?» Die Ausführungen eines ETH-Professors allerdings sind wohl nicht mehr für alle Leser verständlich: «Darüber hinaus decken gängige Big-Data-Algorithmen zwar Optimierungspotenziale auf; die gefundenen Zusammenhänge sind aber meist unzuverlässig und keine Kausalbeziehungen», heisst es etwa in einem Abschnitt über die Gefahren grosser Datenmengen. Näher bei den Leuten ist dagegen ein langes Interview mit dem Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür. Er erklärt plausibel, wie man seine persönlichen Daten zumindest teilweise schützen kann.
«Die Volkswirtschaft» erscheint zehn Mal jährlich in einer Auflage von 5000 Exemplaren. Sie ist aufwendig produziert und bietet Lesestoff für mehrere Stunden. Sie vertritt mehr oder weniger redaktionell die Standpunkte des Seco und hat damit Werbecharakter. Unabhängige Berichterstattung darf der Leser nicht erwarten. Das signalisiert bereits das Editorial, das der Delegierte für die Informatiksteuerung des Bundes schreibt und die Haltung der Behörden widergibt: «Die Schweiz gewährleistet einen guten Datenschutz, Stabilität, Vertrauen, eine zuverlässige Energieversorgung und eine gute Netzinfrastruktur – ideale Voraussetzungen für Datenzentren.» Werbung pur. Andere Publikationen des Bundes werben für politische Anliegen wie «Tangram» gegen den Rassismus oder die Zeitschrift «Frauenfragen».
Auch für diese Publikationen gilt: Zum Teil sind sie nahe bei der Leserschaft, zum Teil weit weg und ziemlich weltfremd. «Tangram» führt unter dem Titel «Fälle aus der Beratung» knifflige Beratungsfälle an: Darf ein Hotel eine(n) Réceptionsmitarbeiter(in) suchen, der/die Schweizerdeutsch sprechen kann? Diskriminierung oder nicht? Nein, sagt die Herausgeberin des Heftes, die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus. Weitere Beiträge haben nur am Rand mit Rassismus in der Schweiz zu tun, etwa der Aufstieg der rechtsradikalen Partei «Goldene Morgenröte» in Griechenland oder der gewalttätige Rechtsextremismus in Deutschland.
Zeitschriften in kleiner Auflage für ein kleines Publikum
Die Publikation der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen behandelt Fragen wie «Sexualisierung der Gesellschaft – zwischen sexueller Selbstermächtigung und Auto-Sexismus»; eine «Genderforscherin» untersucht den Zusammenhang zwischen «Sexualisierung des öffentlichen Raums» und dem Sexualverhalten Jugendlicher. Andere Artikel dieser Ausgabe unter dem Titel «Kein Raum für Sexismus» sind lebensnäher: Sie beschäftigen sich mit der Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz oder Gewalt in der Schule. Sie sind politisch korrekt und ethisch wertvoll – doch die Leserschaft ist sehr klein.
Es bleibt aber fraglich, ob es Aufgabe des Bundes ist, zahlreiche solche Zeitschriften herauszugeben – mit einem Inhalt nach dem Gusto der Verwaltung und wenig Resonanz in der Bevölkerung. Die Auflagen liegen jeweils bei wenigen Tausend Exemplaren.