Universitäten verheimlichen Interessenbindungen
Viele Professoren sitzen in Gremien von Unternehmen und Stiftungen. Die Geschäftsbeziehungen bleiben im Dunkeln. Die Hochschulen weigern sich, darüber Rechenschaft abzulegen.
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saldo 08/2013
01.05.2013
Yves Demuth
Professor Peter V. Kunz gibt Medien oft und gerne Auskunft: Ob zum Steuerstreit mit den USA, zur Abzockerinitiative oder zur Rolle von Wirtschaftsanwälten bei Steuerhinterziehung – der Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsrecht der Universität Bern ist ein gefragter Fachmann. Auch weil er im Unterschied zu anderen Professoren dieses Gebiets keine eigene Kanzlei mit Mandanten hat und sich frei äussern kann.
Trotzdem ist er Interessenvertreter. Denn Kunz sitzt i...
Professor Peter V. Kunz gibt Medien oft und gerne Auskunft: Ob zum Steuerstreit mit den USA, zur Abzockerinitiative oder zur Rolle von Wirtschaftsanwälten bei Steuerhinterziehung – der Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsrecht der Universität Bern ist ein gefragter Fachmann. Auch weil er im Unterschied zu anderen Professoren dieses Gebiets keine eigene Kanzlei mit Mandanten hat und sich frei äussern kann.
Trotzdem ist er Interessenvertreter. Denn Kunz sitzt in drei Verwaltungsräten. Er ist Präsident des Verwaltungsrats des Vermögensverwalters Bluevalor, Vizepräsident des Verwaltungsrates der Berner Modekette Be + We Bayard Wartmann AG mit über 40 Filialen in der Deutsch- und Westschweiz sowie Verwaltungsrat beim Versicherungsberater Convida. Kunz sieht darin kein Problem, sondern einen Vorteil: «Ein ernstzunehmender Wirtschaftsrechtler sollte nicht nur aus dem Elfenbeinturm dozieren. Er muss die Praxis aus persönlicher Erfahrung kennen», sagt er. Die Transparenz ergebe sich aus dem öffentlichen Handelsregister. Und sollte es zu Interessenkonflikten mit seiner Tätigkeit an der Universität kommen, würde er auf die Mandate hinweisen.
Kunz ist kein Ausnahmefall: Laut einer Studie der Eidgenössischen Finanzkontrolle üben bis zu 40 Prozent der Schweizer Vollzeitprofessoren eine Nebentätigkeit aus. Je nach Universitätsreglement müssen sie einen Teil ihres Nebenverdienstes abgeben.
Universitäten kennen keine Pflicht zur Offenlegung
Über die Nebentätigkeiten müssen die Wissenschafter grundsätzlich keine Rechenschaft ablegen. Weder die angefragten Universitäten noch die ETH Zürich kennen eine Offenlegungspflicht (siehe Tabelle): Professor Wolfgang Kröger etwa, Ingenieur und Leiter des ETH Risk Centers, verschweigt auf seiner Website sein Vorstandsmandat beim Atomlobbyverband Nuklearforum. Begründung: Es seien nur ein bis zwei Sitzungen pro Jahr bei einer Aufwandentschädigung von 100 Franken pro Sitzung.
Der St. Galler Handelsmanagement-Professor Thomas Rudolph deklariert seine VR-Mandate bei Migros, Otto’s und dem Marktforscher Jeko nicht. Und auf der Lehrstuhl-Website des Zürcher Medizinprofessors Felix Gutzwiller fehlt jeder Hinweis auf seine VR-Mandate bei der Krankenkasse Sanitas, dem Versicherer Axa-Winterthur oder den Medizintechnikfirmen Rahn AG und Osiris Therapeutics.
Alle drei Professoren sehen keine Interessenkonflikte. Laut Gutzwiller haben seine Mandate nichts mit der 50-Prozent-Anstellung als Professor zu tun, sondern mit seiner Tätigkeit als Politiker. Er sitzt für den Kanton Zürich und die FDP im Ständerat. Auf seiner Politiker-Website seien die Mandate erwähnt.
Alles kein Problem? Die Finanzkontrolleure des Bundes sehen das anders. Sie kritisierten schon vor vier Jahren, dass die ausgeübten Nebentätigkeiten für die Universitäten ein Reputationsrisiko darstellen können, indem sie die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung gefährden. Auch eine zeitliche Überbelastung von Professoren und die damit verbundene Vernachlässigung der Pflichten in Lehre, Forschung und Nachwuchsförderung sei möglich. «Um die Risiken zu minimieren, braucht es Transparenz und Zugang zu den nötigen Informationen», so die damalige Empfehlung der Kontrolleure.
Passiert ist seither nichts. Neu bewirbt die Pressestelle der Uni Zürich sogar 400 Professoren als Medienexperten für Themen von Asthma bis Zentralbanken, ohne auf deren Interessenbindungen hinzuweisen. Das liege in der Verantwortung der Professoren, sagt Uni-Sprecher Beat Müller dazu.
Auch gegenüber Journalisten wollen die Universitäten die vorhandenen Register der Nebentätigkeiten nicht offenlegen. «Aus Datenschutzgründen», heisst es etwa in Basel. Die Informationen liegen einzig dem Rektorat oder der Erziehungsdirektion vor. Sie werden an den Hochschulen jährlich oder im Fall von St. Gallen alle drei Jahre erhoben – durch eine Selbstdeklaration der Professoren.
Initiative verlangt Veröffentlichung der Interessenbindungen
Inzwischen kritisieren auch Politiker und Professoren die Heimlichtuerei. Im Zürcher Kantonsrat kommt voraussichtlich noch vor der Sommerpause eine parlamentarische Initiative von Grünen, Grünliberalen und SP zur Abstimmung. Sie verlangt von der Universität ein öffentliches Register über die Interessenbindungen der Professoren.
Nichts gegen diese Massnahme hat auch Heinz Zimmermann, in Basel Professor für Finanzmarkttheorie. Er fordert, dass Professoren alle Verwaltungs- und Stiftungsratsmandate deklarieren. Zimmermann: «Es ist wichtig zu wissen, vor welchem Hintergrund ein Wissenschafter seine Meinung vertritt.»