Bauern haben eine gute Lobby. Für das Jahr 2016 bewilligte das Parlament 93 Millionen Franken mehr Subventionen als vom Bundesrat budgetiert. Die Bauern erhalten 2,8 Milliarden Franken an Direktzahlungen und für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte 94,6 Millionen Franken Exportsubventionen.
Kürzlich kam der Nationalrat den Bauern noch mehr entgegen: Sie sollen künftig für Gewinne aus dem Verkauf von Bauland keine Einkommenssteuern mehr zahlen müssen. Beim Bund und bei den Sozialwerken würde das zu Ausfällen von rund 400 Millionen Franken pro Jahr führen. Der Ständerat entscheidet voraussichtlich im Herbst.
Diese Steuervergünstigung ist nur ein Beispiel für viele Privilegien. Die Landwirtschaft geniesst gegenüber dem Gewerbe eine Vorzugsbehandlung. Einige Beispiele:
Kinderzulagen
Die Mindesthöhe bei Kinderzulagen beträgt 200 Franken pro Kind. Die Ausbildungszulage liegt bei 250 Franken. Die Kantone können höhere Ansätze vorsehen. Bei Bauern im Berggebiet sind die Mindestansätze generell 20 Franken höher. Normalerweise werden diese Zulagen durch Arbeitgeber oder die Selbständigerwerbenden finanziert. Bei den Bauern zahlen Bund und Kantone die Zulagen. Bloss für ihre Angestellten zahlen die Landwirte selber Beiträge. Im letzten Jahr finanzierten die Bauern nur 16 Prozent der Zulagen selber. 84 Prozent oder knapp 97 Millionen Franken beglichen die Steuerzahler.
Investitionshilfen
Gemäss Agrarbericht bewilligten die Kantone letztes Jahr 1845 zinslose Investitionskredite von total 308,4 Millionen Franken (saldo 1/16). Dazu kommen von Bund und Kantonen weitere 89,2 Millionen als A-fonds-perdu-Beiträge. All diese Gelder sind unter anderem für Wohnhäuser, Ställe, Wegbauten, aber auch Besenbeizen und Hofläden.
Besenbeizen
Bauern dürfen Besenbeizen ausserhalb der Bauzonen erstellen und betreiben. Sind Besenbeizen als Take-away-Betriebe eingestuft, müssen Bauern auf eigene Produkte wie Apfelsaft oder Glace aus Hofmilch keine Mehrwertsteuer entrichten. Anders normale Take-aways: Sie müssen ab einem Umsatz von 100 000 Franken 2,5 Prozent Mehrwertsteuer abrechnen.
Hofläden
Viele Bauern vermarkten ihre Produkte selber. Die Hofläden sind oft durchgehend geöffnet, auch sonntags und an Feiertagen. Damit konkurrenzieren sie Dorfläden, die den kantonalen Ladenschlussgesetzen unterstehen. Sind die Läden der Bauern bedient, unterstehen die Angestellten nicht dem Arbeitsgesetz. Nacht- und Sonntagsarbeit sind möglich und maximale Arbeitszeiten gibt es nicht. Auf eigenen Erzeugnissen sind die Landwirte von der Mehrwertsteuer befreit, selbst wenn der Umsatz 100 000 Franken übersteigt.
Luftreinhaltung
Dieselfahrzeuge sind im Baugewerbe und in der Landwirtschaft weit verbreitet. Solche Motoren stossen viel Feinstaub aus. Seit 2009 schreibt die Luftreinhalteverordnung für alle Baumaschinen die Partikelfilterpflicht vor. Damit kann die Umweltbelastung wirksam reduziert werden. Für die Land- und Forstwirtschaft gilt die Pflicht nicht. Laut einer Studie des Bundes sind Land- und Forstwirtschaft für 60 Prozent des Partikelausstosses des Nichtstrassenverkehrs verantwortlich. Zum Vergleich: Auf die Bauwirtschaft entfallen 15 Prozent.
Schwerverkehrsabgabe
Landwirtschaftliche Fahrzeuge mit grünen Kontrollschildern sind von der Schwerverkehrsabgabe befreit. Ferner gelten für Fahrer solcher Fahrzeuge – im Gegensatz zum Transportgewerbe – die Arbeits- und Lenkzeitvorschriften nicht.
Mineralölsteuer
Bauern erhalten den Mineralölsteuerzuschlag sowie einen Teil der Mineralölsteuer zurückerstattet, wenn sie den Treibstoff für die Land- und Forstwirtschaft verwenden. Für das Jahr 2015 bezifferte die Eidgenössische Zollverwaltung den Einnahmenausfall für den Bund auf 68,5 Millionen Franken.
Der Schweizerische Bauernverband bestreitet vehement, die Bauern würden bevorzugt. Die Landwirtschaft habe praktisch keine Vorteile gegenüber dem Gewerbe, sagt er. Und dort, wo solche bestünden, würden diese durch andere Nachteile wieder aufgehoben, behauptet der Vize-Verbandsdirektor Urs Schneider.
Die Privilegien zum Beispiel bei den Fahrzeugen seien gerechtfertigt wegen der dezentralen Lage der Bauernbetriebe. Die vom Steuerzahler getragenen Kinderzulagen seien eine «sozialpolitische Massnahme». Zudem hätten die Bauern einen Verfassungsauftrag, das Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen und die Landschaft zu pflegen.
Der Schweizerische Gewerbeverband hingegen fordert, «Wettbewerbsverzerrungen» müssten fallen. Die bestehenden Gesetze verlangten, Bauern und Gewerbe gleich zu behandeln.
Die Wirtschaftskommission des Ständerates verlangt vom Bundesrat bis im August «vertiefte Abklärungen» zum Steuergeschenk beim Baulandverkauf. Und sie will wissen, inwiefern Landwirte und Gewerbler ungleich behandelt werden.