Rund 270 Patienten pro Jahr sterben in Schweizer Spitälern, weil Ärzte und ihre Teams zu wenig Erfahrung mit bestimmten Operationen haben. Diese Zahl errechnete der Berner Medizininformatiker Daniel Zahnd in einer Studie für die Groupe Mutuel. Er analysierte die jährlichen Fallzahlen von 25 Arten von Operationen in Schweizer Spitälern in den Jahren 2017 bis 2019. Sein Fazit: «Je höher die Fallzahlen in einem Spital, desto weniger Todesfälle und Komplikationen treten tendenziell auf.»
Der Zusammenhang ist für zehn der untersuchten Eingriffe deutlich: für Behandlungen von Herzinfarkten und der Lungenkrankheit COPD, die (Teil-)Entfernung von Lunge, Blase, Prostata, Darm oder Bauchspeicheldrüse bei Krebs, bei Operationen der Bein- oder Beckenarterien und beim Ersatz eines Knie- oder Hüftgelenks.
Beispiel: Bei der Behandlung von Herzinfarkten starben in Spitälern, die im Durchschnitt nur 40 Fälle pro Jahr betreuten, 70 von 1000 Patienten. In Spitälern mit durchschnittlich 560 Fällen starben nur 65 der 1000 Patienten. Keinen Einfluss der Fallzahlen auf das Ergebnis der Operation fand Zahnd etwa beim Entfernen von Gallensteinen, bei Schenkelhalsfrakturen, Lungenentzündungen oder beim Ersatz einer Herzklappe.
Die Erkenntnisse bestätigen frühere Untersuchungen aus Deutschland, Grossbritannien und den USA sowie die Resultate einer Schweizer Studie mit über 18 000 Krebspatienten (saldo 16/2017).
Experten fordern höhere Mindestfallzahlen für Chirurgen
Für Daniel Scheidegger, langjähriger Chefarzt für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Unispital Basel, ist das kein Wunder: «Wer nur einmal pro Jahr eine Bauchspeicheldrüse operiert, macht eher einen Fehler als jemand, der das fast jeden Tag tut.»
Die Studie schlägt für zehn Arten von Operationen höhere Mindestfallzahlen vor. So sollten alle Spitäler pro Jahr mindestens 303 neue Hüftgelenke oder mindestens 225 künstliche Kniegelenke einsetzen. Heute gilt bei diesen Eingriffen eine Zielgrösse von 50 Eingriffen pro Spital und Jahr. Zudem sollten die Spitäler mindestens 90 Lungeneingriffe bei Krebs statt nur 30 pro Jahr durchführen. 46 Prozent aller Schweizer Spitäler erreichten 2018 die geltenden Mindestfallzahlen. Das stellte Daniel Zahnd in einer Studie im Dezember 2020 fest.
Noch schlechter sieht die Bilanz in der neuen Studie für weitere Operationen aus. So erreichten etwa nur 3 von 43 Spitälern die routinebildende Anzahl an Eingriffen bei der Harnblasenentfernung, nur 8 von 90 ersetzten genügend Hüftgelenke und nur 9 von 99 erreichten die Fallzahl bei der Behandlung von COPD.
Susanne Gedamke von der SPO Patientenorganisation fordert, «dringend obligatorische Mindestfallzahlen in allen Kantonen» einzuführen. Zudem seien die Mindestfallzahlen höher anzusetzen. Doch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren empfiehlt den Spitälern lediglich, für Operationen Mindestfallzahlen festzulegen. Jeder Kanton entscheidet allein, wie hoch diese sind.
Der frühere Chefarzt Daniel Scheidegger rät Patienten, vor einem möglichen Eingriff die Ärzte zu fragen, wie oft sie und ihr Team die konkrete Operation pro Jahr durchführen.