Herzklopfen, Atemprobleme, Brustschmerzen, Muskelverspannung, Schwindel oder Übelkeit – Angststörungen sind weit verbreitet. Der Zürcher Hausarzt Thomas Walser sagt, solche Patienten seien in der Praxis sogar «sehr häufig».
Oft würde in diesen Fällen zwar eine Lebensberatung beim Hausarzt oder in schwereren Fällen eine Verhaltenstherapie beim Psychotherapeuten helfen. Doch viele Ärzte verschreiben auch schwere Medikamente, zum Beispiel Antidepressiva. Deren Nutzen ist umstritten, zudem haben sie oft happige Nebenwirkungen.
Das deutsche Fachblatt «Arzneimittelbrief» hat kürzlich die Wirkstoffe miteinander verglichen und kommt zum Schluss: Am ehesten vertretbar sind Wirkstoffe aus der Gruppe der sogenannten SSRI-Präparate. Dazu gehören Medikamente wie Deroxat, Cipralex, Seropram oder Zoloft. Sie dämpfen, machen aber in der Regel nicht müde. Die Liste möglicher Nebenwirkungen ist dennoch lang: Übelkeit, Durchfall, Unruhe, Schlafstörungen, sexuelle Störungen.
Medikamente gegen Panikattacken können abhängig machen
Für den Arzt ist es nicht einfach, den richtigen Wirkstoff zu verschreiben. Der Basler Apotheker Markus Fritz sagt: «Patienten reagieren auf die Medikamente unterschiedlich.» Dem Arzt bleibe meist keine andere Wahl, als die einzelnen Wirkstoffe durchzutesten.
Andere Medikamente wie Anafranil oder Insidon können zu Mundtrockenheit, Herzrasen, Unruhe, Krämpfen und Verwirrtheit führen und erhöhen damit die Sturzgefahr. Der «Arzneimittelbrief» rät daher besonders älteren Menschen ab 65 Jahren von diesen Mitteln ab.
Angstgefühle können Patienten auch kurzfristig überfallen, als Panikattacken zum Beispiel in grossen Menschenmengen oder vor einer Ansprache. Dann reicht oft der kurzzeitige Einsatz eines schnell wirkenden Medikamentes aus der Gruppe der Benzodiazepine, zum Beispiel Temesta. Etzel Gysling, Arzt aus Wil SG und Herausgeber des Fachblatts «Pharma-Kritik»: «Solche Medikamente sind für diesen Fall keine schlechte Lösung, weil sie wenig ausgeprägte Nebenwirkungen haben.» Auch sie können allerdings bei Älteren das Sturzrisiko erhöhen. Da sie zudem abhängig machen können, schliesst Gysling mit den Patienten Abmachungen. Sie dürfen die Präparate höchstens zwei- bis dreimal in der Woche einsetzen.
Es gibt auch pflanzliche Mittel, die gut wirken
Chemische Mittel lassen sich durch pflanzliche ersetzen. Johanniskraut ist vergleichbar mit Antidepressiva und wirkt über einen längeren Zeitraum. Das belegen Studien. Für den kurzfristigen Einsatz könnte sich auch Lavendelöl eignen. In diesem Februar stellten Forscher der Universität Wien einen Vergleich zwischen dem Wirkstoff Paroxetin und Silexan, einem Lavendelölpräparat vor. Rund 540 Patienten mit Angststörung erhielten zehn Wochen lang eines der beiden Medikamente. Unter Silexan besserte sich die Angststörung deutlich besser als unter Paroxetin – ohne müde zu machen und ohne weitere Nebenwirkungen. Frühere Studien konnten die Wirkung aber nicht belegen. Zudem ist Silexan in der Schweiz nicht erhältlich.
GlaxoSmithKline, Hersteller von Deroxat, schreibt saldo, der Arzt müsse entscheiden, welches Medikament für den betreffenden Patienten geeignet sei. Die unerwünschten Nebenwirkungen von Anafranil verschwinden gemäss Hersteller Novartis im Lauf der Behandlung. Die Hersteller von Insidon und Seropram verweisen auf die Packungsbeilage.
Die Hersteller von Zoloft und Cipralex antworteten bis zum Redaktionsschluss nicht.