Der Grossmutter im TV-Spot geht es schlecht: Das kranke Herz nimmt ihr die Luft. Es plagt sie im Schlaf und lässt ihre Füsse anschwellen. Sie leidet an Herzschwäche. Das Herz mag nicht mehr genügend Blut durch den Kreislauf pumpen. Die Werbung verspricht Abhilfe: Nach dem Arztbesuch ist die betagte Dame plötzlich munter. «Jetzt können wir wieder viele lustige Sachen zusammen machen», freut sich die Enkelin im Trickfilm. Er ist im Fernsehen und auf der Internetseite Schwachesherz.ch zu sehen. Patienten sollen zum Arzt und sich behandeln lassen.
Das ist ganz im Interesse der Pharmafirma Novartis, die hinter dem Spot steht. Sie rührt die Werbetrommel, seit sie vor vier Jahren das Medikament Entresto gegen Herzschwäche auf den Markt brachte. Im Frühling jubelte Novartis, der Umsatz sei im ersten Quartal 2019 auf über 350 Millionen Franken gestiegen – im Vergleich zu 200 Millionen Franken im ersten Quartal 2018. Im dritten Quartal 2019 waren es schon rund 430 Millionen Franken.
Medikament bringt nur wenigen Patienten Vorteile
Fachleute sind vom Medikament wenig überzeugt: «Die wissenschaftlichen Belege sind mager», lautet das Fazit der Zeitschrift «Gute Pillen, schlechte Pillen». Entresto bringe höchstens einer kleinen Zahl von Patienten mit chronischer Herzschwäche Vorteile: Wenn die Pumpleistung ihrer linken Herzkammer stark vermindert ist und die bisherige Therapie zu wenig geholfen hat. Zudem kostet das Mittel fast zehn Mal so viel wie bewährte Medikamente.
Novartis wollte mit zwei Studien beweisen, dass Entresto auch bei anderen Formen von Herzschwäche nützt – dann, wenn die linke Herzkammer noch genügend pumpen kann, sowie bei Patienten, die mit akuter Herzschwäche ins Spital müssen. Bei der ersten Studie verbesserte sich bloss ein Blutwert, der hilft, das Wasser aus Lunge oder Füssen zu entfernen. Ob das Medikament auch die Lebensqualität der Patienten verbessert und ihre Überlebenszeit verlängert, blieb unklar. Die zweite Studie floppte vollends: Entresto brachte Patienten mit akuter Herzschwäche keinerlei Vorteile.
Herzspezialist Jochen Schuler ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift «Der Arzneimittelbrief». Er sieht keinen Grund, das Medikament vermehrt und auch bei anderen Formen von Herzschwäche zu verschreiben.
Entresto verursacht zudem oft Nebenwirkungen. Bei Schulers Patienten verträgt es «mindestens jeder Dritte» schlecht. Betroffene haben vor allem Mühe, weil der Blutdruck stark sinkt. Das Mittel führt gemäss Beipackzettel zudem oft zu Kopfschmerzen, Schwindel und Blutarmut und kann die Nieren schädigen. Herzspezialist Jochen Schuler hält fest: «Man weiss noch zu wenig über die langfristigen Folgen von Entresto.»
Bewährte Mittel sind in den meisten Fällen sinnvoller
Fachleute raten zu den bewährten Medikamenten: Das sind in erster Linie Blutdrucksenker wie Coversum oder Reniten sowie ein Betablocker wie Concor oder Beloc Zok. Erst wenn solche Mittel nicht helfen, empfiehlt Arzt Schuler einen Versuch mit Entresto. Das besagen auch die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie.
Novartis beruft sich ebenfalls auf diese Richtlinien. Danach empfehle sich ein Umstellen von anderen Mitteln auf Entresto, wenn Patienten mit Herzschwäche noch immer «Symptome» hätten. Wie bei allen Arzneimitteln könne es zu Nebenwirkungen kommen. Den Preis lege das Bundesamt für Gesundheit fest und überprüfe ihn regelmässig.