Überteuertes Label-Fleisch
Konsumenten sind bereit, für Fleisch aus tierfreundlicher Haltung mehr zu bezahlen. Coop und Migros nutzen das aus und überteuern zum Teil ihr Label-Fleisch massiv.
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saldo 04/2011
27.02.2011
Letzte Aktualisierung:
01.03.2011
Thomas Lattmann
Schweizer Konsumenten achten beim Einkaufen immer mehr darauf, dass das Fleisch aus tierfreundlicher Schweizer Produktion stammt. Entsprechend hoch ist deshalb bei Coop und Migros der Anteil des Schweizer Fleisches, das mehr als die Mindestanforderungen des Tierschutzgesetzes erfüllt und ein entsprechendes Label aufweist.
Bei Coop liegt der Label-Anteil gemäss einer Erhebung des Schweizer Tierschutzes je nach Fleischart zwischen 14 und 100, bei der Mi...
Schweizer Konsumenten achten beim Einkaufen immer mehr darauf, dass das Fleisch aus tierfreundlicher Schweizer Produktion stammt. Entsprechend hoch ist deshalb bei Coop und Migros der Anteil des Schweizer Fleisches, das mehr als die Mindestanforderungen des Tierschutzgesetzes erfüllt und ein entsprechendes Label aufweist.
Bei Coop liegt der Label-Anteil gemäss einer Erhebung des Schweizer Tierschutzes je nach Fleischart zwischen 14 und 100, bei der Migros zwischen 76 und 95 Prozent. Was viele aber nicht wissen: Die Preisunterschiede zwischen konventionellem und Label-Fleisch sind auf Produzentenebene relativ klein.
Das zeigen die vom Branchenverband Pro Viande publizierten Schlachtviehpreise pro Kilogramm Lebendgewicht, die saldo verglichen hat. Konkret: Rindfleisch mit Bio-Label kostet im Ankauf Fr. 8.59 pro Kilogramm – nur 48 Rappen mehr als konventionell produziertes.
Das ist eine Differenz von 5,9 Prozent. Beim Kalb beträgt diese Differenz 4,8 Prozent, beim Schwein 92,6 Prozent. Die Statistik von Pro Viande erfasst auch einige Labels der Grossverteiler.
Für Rindfleisch mit dem Migros-Label Terrasuisse erhält ein Bauer 58 Rappen oder 7,2 Prozent mehr pro Kilo, für dasjenige mit dem Coop-Label Natura Beef 68 Rappen oder 10,7 Prozent.
Für das Coop-Label Naturafarm finden sich ferner die Preise für Kalb und Schwein: Hier beträgt der Unterschied zwischen konventionellem Fleisch und Naturafarm Fr. 1.98 pro Kilo (14,7 Prozent) respektive Fr. –.50 (13,2 Prozent).
Im Laden Differenz bis über 70 Prozent
Anders siehts in den Läden aus. Hier sind die Preisunterschiede zwischen konventionellem und Label-Fleisch deutlich grösser. Das zeigt eine saldo-Erhebung von verpacktem Fleisch in den Grossmärkten von Coop und Migros in Winterthur. Zum Teil ist das Label-Fleisch gegenüber dem konventionell produzierten sogar massiv überhöht. Beispiele:
- Bei Coop zahlt man für Schweinshalssteak mit Naturafarm-Label Fr. 23.– pro Kilo, für das konventionell produzierte in der Prix-Garantie-Packung Fr. 13.30. Eine Differenz von 72,9 Prozent – eine Überhöhung von 59,7 Prozentpunkten gegenüber dem Schlachtviehpreis.
- Beim Rindsvoressen der Migros liegt der Aufpreis von konventionell (M-Budget) zu Terrasuisse bei Fr. 6.30 pro Kilo (35,6 Prozent), von konventionell zu Bio bei Fr. 7.30 (41,2 Prozent) – eine Verteuerung von 28,4 respektive 35,3 Prozentpunkten gegenüber dem Schlachtviehpreis.
Überhöhen Coop und Migros also die Preise bei Label-Fleisch, weil sie wissen, dass die Kunden den Tieren zuliebe bereit sind, mehr zu zahlen? Die beiden Grossverteiler weisen diesen Verdacht von sich. Sie argumentieren, dass sich bei der Schlachtung und Zerlegung von Label-Fleisch die Differenz zu konventionellem weiter erhöhe.
Grund: Der Aufwand sei grösser, weil kleinere Mengen von Tieren geschlachtet würden und die Rückverfolgbarkeit für jedes Fleischstück gewährleistet sein müsse. Ferner würden von einem Label-Tier gewisse Stücke abgewertet, da nicht alles zum höheren Preis absetzbar sei.
Die Migros betont, dass sie für Bio-Fleisch ihren Bauern deutlich mehr bezahlt als von Pro Viande publiziert. Zudem relativiere sich die Preisdifferenz zwischen dem dauerhaft günstigen M-Budget-Fleisch und dem teureren Fleisch mit Terrasuisse-Label, weil für letzteres über das ganze Jahr hinweg viele Aktionen durchgeführt werden.
Wirte zahlen für Bio-Fleisch kaum mehr
Ob all diese Faktoren Label-Fleisch zusätzlich so stark verteuern, bleibt zweifelhaft: Gemäss der Metzger Treuhand, einem Dienstleistungsunternehmen für die Fleischbranche, zahlen nämlich Wirte für zerlegtes Rindfleisch mit Label Bio Suisse nur 4,6 Prozent mehr als für konventionelles, bei edlem Swissprim Gourmet beträgt die Differenz 7 Prozent (siehe saldo 3/11).