Früher mussten sich Diabetiker, die Insulin spritzten, regelmässig in die Fingerkuppe stechen, um ihren Blutzucker zu überwachen. Heute benutzen viele Betroffene Messsysteme wie «Freestyle Libre» von Abbott oder «G7» von Dexcom. Dabei klebt man sich alle 10 bis 14 Tage einen neuen Sensor auf die Rückseite des Oberarms. Der Sensor liefert den Blutzuckerwert automatisch an eine App aufs Smartphone oder ein Lesegerät. Diese schlagen Alarm, wenn etwa eine Unterzuckerung droht.
Hersteller reizen Höchstpreise der Krankenkassen aus
saldo-Leser Urs Forster (Name geändert) aus Rüti ZH kaufte Abbott-Sensoren in einer lokalen Apotheke für 102 Franken pro Stück. Seine Krankenkasse erstattete ihm davon allerdings nur Fr. 67.90. Das entspricht dem sogenannten Höchstvergütungsbetrag, den das Bundesamt für Gesundheit für die Sensoren festlegte. Die restlichen Fr. 34.10 pro Sensor musste der Diabetiker aus dem eigenen Sack zahlen.
Die US-Konzerne Abbott und Dexcom wollen erreichen, dass Diabetiker in ihren Internetshops einkaufen. So optimieren sie ihre Einkünfte. Auf der Internetseite verkauft etwa Abbott die Sensoren für Fr. 67.90 pro Stück. Das entspricht dem Betrag, den die Krankenkassen dem Patienten vergüten müssen. Den Apotheken hingegen verkauft Abbott laut einem saldo vorliegenden «Liefervertrag» Libre-2-Sensoren für Fr. 65.06 und Libre-3-Modelle für Fr. 67.34 pro Stück.
Apotheken bezahlen also fast so viel wie Patienten im Abbott-Internetshop. Wollen die Apotheker etwas verdienen, müssen sie einen Zuschlag verlangen. Dexcom verkauft Produkte nur via Internetshop und kantonale Diabetesgesellschaften. Auch Dexcom reizt den von den Krankenkassen vergüteten Höchstpreis aus.
Diabetes-Sensoren fallen zum Teil nach ein paar Tagen aus
Kein Wunder, sind die Sensoren von Abbott und Dexcom in Apotheken teurer als bei den Herstellern. Das zeigt eine saldo-Umfrage von Mitte Oktober bei 16 Apotheken, Drogerien und Internetshops. Im Durchschnitt kostet ein Libre-3-Sensor Fr. 85.60. Coop-Vitality-Filialen verlangen für Libre-2- und Libre-3-Sensoren je Fr. 71.10 – der niedrigste Preis in der Umfrage. In der Vita-Drogerie in Baden AG kostet ein Libre-3-Sensor hingegen 128 Franken. Urs Forster ärgert sich nicht nur über den Preis, sondern auch über die Qualität des Produkts.
Laut Abbott funktioniert jeder Sensor 14 Tage lang. Doch nach der Erfahrung von Forster fallen Sensoren teilweise bereits nach wenigen Tagen aus. Er schickte sie dem Abbott-Kundendienst in Baar ZG und rief mehrmals dort an. Er erhielt aber nur nach längerem Streiten Ersatz. Er wirft Abbott vor, den Umgang mit Reklamationen möglichst «umständlich» zu gestalten: «Garantiefälle sind unerwünscht.»
Ein weiterer Diabetiker klagt auf dem Firmenbewertungsportal Trustpilot, dass der Abbott-Kundendienst schwer erreichbar sei: Die Internetseite stürze oft ab, und die Registrierung der Mail-Adresse und die Telefonnummer funktionierten lange nicht. Auch Peter Diem, Präsident von Diabetes Schweiz, weiss, dass «viele Patienten den Support durch die Firma bemängeln, besonders wenn es um defekte Sensoren in der Garantiezeit geht». Abbott sagt zu saldo, sein Kundendienst müsse wegen Vorschriften mit Anrufern einen «detaillierten Fragebogen durchgehen».
Firmen zwingen Patienten zur Herausgabe persönlicher Daten
Die US-Firmen Abbott und Dexcom wollen von ihren Patienten nicht nur viel Geld, sondern auch Daten erheischen. Die Patienten müssen eine Abbott-Software auf den Computer laden, um ihre Blutwerte im Blick zu haben und sie dem Arzt zuzustellen. Die Software schickt alle Daten über eine Cloud auf einen Abbott-Server. Bei Dexcom ist das ähnlich. Beide Firmen zwingen die Benutzer, Datenschutzerklärungen zuzustimmen. Damit erlauben sie die Nutzung «personenbezogener» Daten für Werbung und anonymisiert für «Forschung».
Dieser Zwang stiess der Konferenz der deutschen Datenschutzbeauftragten sauer auf. Sie forderte Ende 2023, dass das Speichern der Blutzuckerwerte «auch ohne Nutzung der Cloudfunktionen» möglich sein müsse. Ein Branchenkenner kritisiert: Beide Hersteller nützen ihr Quasimonopol aus, indem sie Patientendaten sammeln und Höchstpreise durchsetzen.
Abbott schreibt, die Preise in den einzelnen Ländern variierten aufgrund unterschiedlicher Regulierungen. Man halte sich an die Datenschutzstandards. Dexcom teilt mit, der Direktvertrieb ermögliche es, Anwender «aus erster Hand» zu betreuen. Daten vom Handy oder der Dexcom-App würden auf «sicheren Servern» in der EU gespeichert. Benutzer könnten ihre Einwilligung zur Cloud-Nutzung jederzeit widerrufen.
Tipp: Man kann die Sensoren direkt bei den kantonalen Stellen der Diabetesgesellschaft kaufen: unter Diabetesschweiz.ch