Überschussprognosen: Versicherer weit daneben
Die Renditeversprechen der Lebensversicherer sind reine Schönwetterprognosen: Die in Aussicht gestellten Gewinne fallen meist viel tiefer aus als bei Abschluss offeriert. Das zeigt ein saldo-Vergleich.
Inhalt
saldo 04/2009
28.02.2009
Letzte Aktualisierung:
03.03.2009
Thomas Lattmann
Die Verkäufer von Lebensversicherungen arbeiten mit Lockvogelangeboten: Sie offerieren den Interessenten nicht nur eine fixe Rendite, sondern operieren mit Überschussbeteiligungen. Was auf dem Papier recht gut aussieht, ist beim Ablauf der Policen ein grosses Ärgernis: Die in Aussicht gestellten Überschüsse werden kaum jemals eingehalten. Dazu kommt: Die Kalkulationen der Gutschriften sind für die Kunden nicht nachvollziehbar. Die Versicherungen sind in der Ü...
Die Verkäufer von Lebensversicherungen arbeiten mit Lockvogelangeboten: Sie offerieren den Interessenten nicht nur eine fixe Rendite, sondern operieren mit Überschussbeteiligungen. Was auf dem Papier recht gut aussieht, ist beim Ablauf der Policen ein grosses Ärgernis: Die in Aussicht gestellten Überschüsse werden kaum jemals eingehalten. Dazu kommt: Die Kalkulationen der Gutschriften sind für die Kunden nicht nachvollziehbar. Die Versicherungen sind in der Überschusspolitik heute völlig frei, die Verteilungen von guten Anlageresultaten an den einzelnen Versicherten undurchsichtig. Das einzig Verlässliche ist die auf der Police erwähnte garantierte Auszahlung. Das bestätigt ein saldo-Vergleich von vor zehn Jahren abgeschlossenen Policen.
Basis des Vergleichs: Ein 55-jähriger Mann hat per 1. Januar 1999 eine Erlebensfallversicherung mit einer zehnjährigen Laufzeit abgeschlossen. Er finanziert die Versicherung mit einer Einmaleinlage von 100 000 Franken (Sparversicherung). Anhand dieses Beispiels hat saldo die Überschussprognosen von acht Lebensversicherern miteinander verglichen. Generali, Mobiliar und Vaudoise lehnten eine Teilnahme ab.
Zürich: Gut 1 Prozent weniger Rendite als vorausgesagt
Ergebnis: Die Überschusspolitik war sehr unterschiedlich. Einzig die Pax beteiligte die Kunden mit keinem einzigen Franken am Geschäftserfolg. Der ausbezahlte Betrag entspricht bei ihr nur der garantierten Versicherungssumme. Bei der effektiven Rendite liegt sie mit 2,75 Prozent aber immerhin auf Platz 4 (siehe Tabelle im pdf-Artikel). Die Pax begründete die Null-Überschussbeteiligungen mit dem relativ hohen garantierten Zinssatz, den sie bei diesem Produkt gewährt habe. Die übrigen sieben am Vergleich beteiligten Versicherer haben die prognostizierten Überschüsse allesamt zu optimistisch offeriert. Besonders krass verschätzt hat sich die Zürich. Sie stellte ihren Kunden Überschüsse von 20'561 Franken in Aussicht. Während fünf Jahren zahlte sie aber nur rund 1000 Franken an Überschüssen aus, die restlichen Jahre gab es gar nichts. So resultiert am Schluss eine Durchschnittsrendite von 2,61 Prozent pro Jahr – statt 3,71 Prozent. Wer sich vor zehn Jahren von der Offerte der Zürich blenden liess, ist heute enttäuscht: Die Versicherungssumme beträgt nicht 143'978, sondern nur 129'338 Franken. Das sind 14'640 Franken weniger.
Axa Winterthur: Schlechteste Rendite, dafür beste Prognose
Ebenfalls um mehrere Tausend Franken hinter ihren Voraussagen zurück liegen Allianz Suisse, Basler, Helvetia, Nationale Suisse und Swiss Life. Die Axa Winterthur hingegen steht mit ihrer Prognose relativ gut da: Sie hat den Überschuss mit 700 Franken derart tief angesetzt, dass sie ihn mit 646 Franken fast erreicht hat. Mit einer jährlichen Rendite von lediglich 2,54 Prozent und einer effektiven Auszahlung von 128'441 Franken bildet Axa Winterthur indes das Schlusslicht. Zum Vergleich: Die beste Rendite hätte mit 3,1 Prozent und einer Auszahlung von 135'584 Franken bei der Helvetia erzielt werden können. Die Axa Winterthur erklärt den tiefen Überschuss und die schlechte Rendite damit, dass es sich beim Beispiel um ein «vorsichtig kalkuliertes Produkt» handle. Die Zürich gibt an, bei ihrer viel zu positiven Prognose davon ausgegangen zu sein, dass der Überschusssatz ab dem fünften Jahr steigen wird. Das Gegenteil passierte: Wegen der tiefen Zinsen auf sicheren Anlagen gab es keinen Überschuss.
Für Stefan Thurnherr, Versicherungsexperte beim VZ Vermögenszentrum, ist der saldo-Vergleich repräsentativ für die Überschusspolitik der einzelnen Versicherungsgesellschaften in der Vergangenheit. Auf Basis dieser Ergebnisse lasse sich aber nicht auf künftige Prognosen schliessen. Stefan Thurnherr rät grundsätzlich, eine Sparversicherung aufgrund der garantierten Leistung auszuwählen: «Alles andere ist Schall und Rauch.» Erst bei gleichwertigen Angeboten könne man – als zweites Kritierium – auf die Überschussprognose abstellen.
Versicherungsgesetz: Zahnlose neue Richtlinien
Die meisten Lebensversicherer informieren Kunden ungenügend, obwohl das revidierte Versicherungsvertragsgesetz mehr Aufklärung vor Vertragsabschluss fordert. Über die tiefen Rückkaufswerte bei vorzeitiger Kündigung wird geschwiegen, übertriebene Überschussbeteiligungen werden in Aussicht gestellt. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat deshalb Richtlinien erlassen (saldo 17/08). Diese sind seit dem 1. Januar in Kraft, die Versicherer müssen sich aber erst ab 2011 voll danach richten. Neu schreibt die Finma schriftliche Informationen über die Modalitäten des Rückkaufs von Lebensversicherungen vor. Ferner haben die Versicherer vor Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung den Kunden günstige und ungünstige Szenarien zur Entwicklung der Überschüsse vorzulegen. Neu haben Kunden Anrecht auf eine jährliche Abrechnung zur Überschussbeteiligung. Dennoch sind die Richtlinien recht zahnlos ausgefallen. Erläuterungen zum Rückkaufswert etwa erhalten Versicherte erst auf Nachfrage. Und die Versicherer müssen den Verteilschlüssel für die Überschüsse nicht preisgeben.