Ursula Leumann aus Walenstadt SG leidet unter Blutgerinnseln in den Venen. Einmal gelangten sie in die Lungen und verstopften die Blutgefässe. Es kam zu einer Lungenembolie. Der Arzt verschrieb Leumann Kompressionsstrümpfe. Sie sollen verhindern, dass die 74-Jährige erneut Blutgerinnsel bekommt. In einem Orthopädiegeschäft kaufte sie flachgestrickte Kompressionsstrümpfe.
Im Unterschied zu rundgestrickten Produkten, die nahtlos und spiralförmig hergestellt werden, haben flachgestrickte Strümpfe eine Naht und üben dank robusten Materialien mehr Druck auf das Bein aus. Orthopädiegeschäfte lassen die Produkte in einer Fabrik nach Mass herstellen. Für die Strümpfe verlangte die Orthopädietechnikerin 726 Franken, inklusive Abmessen der Beine. Dieser Preis richtet sich nach dem Tarifvertrag zwischen den Orthopädietechnikern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen.
Die Krankenkassen zahlen zwei Paar pro Jahr. Als Ersatzstrümpfe kaufte Leumann noch ein Produkt von der Stange. Es kostete nur 96 Franken.
Preisüberwacher kritisiert riesige Preisunterschiede
Für den Preisüberwacher Stefan Meierhans ist der riesige Preisunterschied zwischen Strümpfen nach Mass und solchen von der Stange nicht gerechtfertigt. Bereits vor sechs Jahren fiel ihm auf, dass Kompressionsstrümpfe nach Mass fünf bis acht Mal so viel kosten wie Serienware. Dies, obwohl beide Produkte fast gleich hergestellt werden: Die Betriebe verwenden laut Meierhans in beiden Fällen computergesteuerte Strickmaschinen.
Die Inhaberin des Sarganser Orthopädiegeschäfts sagt zu saldo, sie habe die Strümpfe der Kundin korrekt gemäss dem Verbandstarif in Rechnung gestellt. Der Verband Ortho Reha Suisse sagt, flachgestrickte Strümpfe würden einen grösseren und gleichmässigeren Druck auf die Beine ausüben. Deshalb müssten sie sehr genau passen. Das Massnehmen und das Anpassen sei «um ein Vielfaches komplexer» als bei den rundgestrickten Modellen.
Laut Ursula Leumann dauerte das Massnehmen jedoch nur etwa fünf Minuten. Der Preisüberwacher kritisiert die hohen Vertriebsmargen zwischen 63 und 73 Prozent. Die Vertriebsmarge ist der Betrag, den die Händler an den Strümpfen verdienen. Meierhans forderte den Verband der Orthopädie-Techniker auf, ihre Tarife zu senken. Doch der Verband ignorierte dies. Das Problem des «exorbitanten» Preisunterschieds ist bis heute nicht gelöst.
Strümpfe von der Stange genügen 9 von 10 Patientinnen
Der Verband erklärt, er habe die Preise mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen vereinbart. Das Bundesamt schreibt, es sei sich «der grossen Preisunterschiede bewusst». Es werde diese im Rahmen einer nächsten Tarifrevision mit den Tarifpartnern analysieren. Der Gefässmediziner Stefan Küpfer vom Medizinischen Zentrum Bad Ragaz rät, wenn immer möglich Strümpfe von der Stange zu kaufen. Dies sei bei 9 von 10 Patientinnen mit Venenproblemen möglich.
Bei geschwollenen Lymphen oder Fett- und Wassereinlagerungen in den Beinen seien oft flachgestrickte Strümpfe nötig. Bei Venenbeschwerden helfen auch Sport, Wechselduschen und Präparate mit Rosskastanien.
Das tut den Beinvenen gut
- Bewegen Sie sich regelmässig. Spazieren, Schwimmen, Velofahren und leichte Gymnastik sind am besten.
- Vermeiden Sie langes Sitzen und Stehen. Wechseln Sie immer wieder Ihre Position.
- Lassen Sie sich von Ihrem Arzt Kompressionsstrümpfe verschreiben. Die Krankenkasse bezahlt pro Jahr zwei Paar ab Klasse II, wenn Sie ein Arztrezept haben.
- Präparate mit Extrakten aus Rosskastanien lindern Venenbeschwerden.
- Machen Sie Wechselduschen mit kaltem und warmem Wasser.
- Weitere Infos finden Sie im Gratismerkblatt «Venentraining» – hier herunterladen oder bestellen bei: saldo, «Venentraining», Postfach, 8024 Zürich