Überrissene Generika-Preise: Der Bund handelt nicht
Zahlreiche Generika kosten mehr als das entsprechende Originalpräparat. Das widerspricht dem Gesetz. Doch das Bundesamt für Gesundheit unternimmt nichts dagegen.
Inhalt
saldo 18/2011
06.11.2011
Letzte Aktualisierung:
08.11.2011
Eric Breitinger
Eigentlich sollten Generika Gesundheitskosten sparen: Denn die Nachahmerpräparate mit den gleichen Wirkstoffen müssen laut Gesetz «kostengünstiger» sein als die Originalmedikamente, deren Patente abgelaufen sind (siehe saldo 04/11). Preiserhebungen des Büros des Preisüberwachers von Ende Oktober zeigen jedoch häufig das Gegenteil: Rund 180 kassenpflichtige Generika kosten demnach ...
Eigentlich sollten Generika Gesundheitskosten sparen: Denn die Nachahmerpräparate mit den gleichen Wirkstoffen müssen laut Gesetz «kostengünstiger» sein als die Originalmedikamente, deren Patente abgelaufen sind (siehe saldo 04/11). Preiserhebungen des Büros des Preisüberwachers von Ende Oktober zeigen jedoch häufig das Gegenteil: Rund 180 kassenpflichtige Generika kosten demnach mehr als die entsprechenden Originale. Beispiele:
- Der Magensäure-Hemmer Antramups 10 kostet in der 14er-Packung Fr. 19.10. Für das Generikum in der gleichen Packungsgrösse verlangt Helvepharm Fr. 26.50 – 40 Prozent mehr. Auch die entsprechenden Nachahmerpräparate von Drossapharm, Streuli, Teva sind teurer als das Original.
- 100 Dragées des entzündungshemmenden Voltaren 75 mg kosten Fr. 43.75, das Generikum Ecofenac CR 75 gibt es für Fr. 53.25. Es ist damit 20 Prozent teurer.
- Das Krebsmedikament Taxol kostet in der 16,7-ml-Grösse Fr. 102.50. Die Generika von Actavis und Teva kosten je Fr. 153.85, die von Mepha und Sandoz je Fr. 153.90. Auch bei der 50-ml-Variante übersteigen die Preise von vier Generika-Anbietern den des Originals um bis zu 40 Prozent.
Der Bund sollte von den Herstellern tiefere Preise fordern
Die hohen Generika-Preise kommen die Prämienzahler teuer zu stehen. Schliesslich müssen die Krankenkassen diese Nachahmerpräparate vergüten. Laut Josef Hunkeler vom Büro des Preisüberwachers sollte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einschreiten: «Es muss die gesetzwidrig hohen Generika-Preise senken.» Dazu kann das BAG vom Hersteller niedrigere Preise fordern. Weigert dieser sich, kann es das Produkt von der Liste der Medikamente streichen, welche die Kassen vergüten müssen.
Doch das Bundesamt bleibt untätig. Auch auf die saldo-Anfrage äussert sich die Sprecherin des Bundesamtes, Katrin Holenstein, ausweichend: Der Preisüberwacher könne im direkten Kontakt «dem Bundesamt gerne seine Position darlegen».
Das BAG begründet die höheren Generika-Preise damit, dass Hersteller die Preise einzelner patentabgelaufener Originalpräparate unter das Presiniveau der Generika gesenkt hätten. Doch statt die Medikamentenkosten zu senken, bittet der Bund die Patienten zur Kasse. Gesundheitsminister Didier Burkhalter hat Anfang 2011 per Verordnung ein neues Preissystem bei Medikamenten eingeführt. Seit Juli müssen Patienten für Arzneimittel den doppelten Selbstbehalt von 20 Prozent bezahlen, wenn das Produkt über 20 Prozent mehr kostet als das günstigste Drittel der kassenpflichtigen Medikamente (saldo 15/11). Ab 2012 müssten Generika zudem mindestens 10 Prozent billiger sein als die Originale. Das BAG müsste dann die Einhaltung kontrollieren. Der Bund will so Einsparungen bei Generika von 130 Millionen Franken im Jahr erzielen.
Nach Einschätzung des Medikamentenpreis-Experten Josef Hunkeler sind die meisten Generika-Preise bisher nicht gesunken. Schweizer zahlen fürs gleiche Generikum im Schnitt 54 Prozent mehr als Deutsche. Das ergab ein Preisvergleich Hunkelers bei 1517 Nachahmerpräparaten. Die Preisdifferenz hat sich laut Hunkeler gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig reduziert. So kosten viele Generika in der Schweiz fast so viel wie die Originale. Rund 800 der 2800 Nachahmerpräparate auf der Liste der kassenpflichtigen Medikamente sind weniger als 10 Prozent billiger als die Originalpräparate, 700 weniger als 20 Prozent. Für Hunkeler ist klar: «Der Wettbewerb spielt hier noch nicht.»
Hersteller sprechen von starkem Kostendruck
Dies bestreiten die Hersteller. Peter Huber vom Lobbyverband Intergenerika sagt, dass Generika das Preisniveau der patentabgelaufenen Originale gedrückt hätten. Generika-Hersteller hätten nun bei vielen Produkten «nur noch wenig Luft nach unten». Huber erklärt das mit dem relativ kleinen Schweizer Absatzmarkt, teuren Infobroschüren der Hersteller für Patienten und Fachleute sowie den gesetzlichen Anforderungen, die angeblich hohe Kosten verursachen würden.