Nach fünf langen Jahren des Prozessierens erhielt Mireille Stähli (Name geändert) recht. Mit Entscheid vom 4. August 2016 verurteilte das Bundesgericht den Zürcher Vermögensverwalter T. wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten und einer Schadenersatzzahlung von gut 286 000 Franken plus 5 Prozent Zins ab April 2011. Damit hat sich bis heute eine Schadenersatzsumme von mehr als 370 000 Franken aufgetürmt. Stähli hat bis jetzt aber keinen Rappen erhalten, T. zahlt nicht – Richterspruch hin oder her.
Das Unheil begann mit der Finanzkrise. Ende 2007 lagen in Stählis Depot 940 000 Franken. Ende April 2011 waren es noch 40 000 Franken. Stähli bezog in dieser Zeitspanne nur 85 000 Franken. Mehr als 800 000 Franken lösten sich in Luft auf.
Er habe keinen Franken abgezweigt, beteuert T. Er habe aber einen Fehler in der Anlagepolitik gemacht. Als mit der Krise hohe Verluste anfielen, habe er sich für eine aggressive Optionsstrategie entschieden, um die Verluste auszugleichen.
Das Bundesgericht kreidet T. nicht die Verluste oder die falschen Strategieentscheide an. Es verurteilte ihn, weil er die Vereinbarungen des im September 2002 unterzeichneten Vermögensverwaltungsvertrages nicht eingehalten hatte. Dieser definierte den Obligationenanteil bei 40 Prozent und jenen der risikoreichen strukturierten Produkte bei 15 Prozent. Daran hat sich T. nicht gehalten. Von 2008 bis 2011 war der Anteil an risikoreichen Anlagen – gemessen an den Vorgaben im Vertrag – deutlich überhöht.
Dem Vermögensverwalter «zu sehr vertraut»
T. sagt, er habe die Kundin immer informiert. Für ihn sei eine mündliche Abmachung gleichbedeutend wie ein schriftlicher Vertrag. Stähli ihrerseits betont, sie habe T. wiederholt gesagt, das Geld sei ihre Altersvorsorge. «Ich habe ihm zu sehr vertraut», sagt sie heute.
Die 79-jährige ehemalige Treuhänderin lebt nach eigener Aussage von der AHV. Ihr Haus in der Ostschweiz hat sie verkauft. Sie lebt in einer Eigentumswohnung und vermietet eine kleine Ferienwohnung.
Der 72-jährige T. erhält ebenfalls die AHV. Zusätzlich habe er noch ein Vermögensverwaltungsmandat inne. Nach Abzug aller Kosten würden ihm knapp 50 000 Franken im Jahr verbleiben, 4000 im Monat. Vermögen will er keines mehr haben. Er habe für sich die gleiche Anlagestrategie wie für seine Kundin gewählt und selber viel Geld verloren. Zum Urteil des Bundesgerichts sagt er: «Ich kann das nicht bezahlen.»
Daran zweifelt die Geschädigte. T. habe ein Wohn- und ein Ferienhaus verkauft. «Ich glaube nicht, dass er den ganzen Erlös verspielt hat.» Sie hat übrigens nicht nur rund 800 000 Franken verloren, sondern auch mehr als 50 000 Franken Anwaltskosten bezahlt.
Tipps: Kontrolle ist besser
- Vermögensverwalter. Viele Leute sind in Finanzfragen unsicher. Trotzdem sollten sie ihrem Berater nicht blind vertrauen.
- Es geht um Ihr Geld. Seien Sie misstrauisch.
- Vertrauen Sie Ihr Kapital nicht einfach einem guten Bekannten an. Holen Sie Referenzen und Konkurrenzofferten ein.
- Wenn Sie die Verantwortung für die Verwaltung Ihres Vermögens an einen Berater abtreten, ist ein schriftlicher Vermögensverwaltungsvertrag nötig.
- Die Anlagestrategie muss schriftlich festgehalten werden. Kontrollieren Sie das Einhalten der Strategie regelmässig.
- Verlangen Sie regelmässige Bankauszüge, mindestens für jedes Quartal. Schreiten Sie ein, wenn Ihr Vermögen schrumpft.
- Stellen Sie kritische, stellen Sie dumme Fragen. Verlangen Sie Erklärungen für alles, was Sie nicht verstehen.
- Teure Anlageprodukte schmälern die Rendite. Verlangen Sie kostengünstige Alternativen.
- Hohe Renditen bedeuten hohe Risiken. Misstrauen Sie Renditeversprechen. Lassen Sie sich über Verlustrisiken aufklären.
- Holen Sie bei Unsicherheiten eine Zweitmeinung ein.