Der Anruf kam im Dezember und ohne Voranmeldung. Die unbekannte Dame gab sich als Mitarbeiterin der UBS aus. Sie müsse 70 Prozent der Gesamtsumme der von Marianne Baumberger (Name geändert) ausgelösten Zahlungen auf ihrem Geschäftskonto überprüfen.
Baumberger ist Inhaberin eines Treuhand- und Wirtschaftsberatungsbüros in der Innerschweiz. Sie zahlt Löhne an ihre Angestellten, Vergütungen an ihren Rechtsberater, Pensionskassenbeiträge an ihre Versicherung, den Mietzins für die Büroräume oder Nespresso-Kaffeekapseln.
UBS-Mitarbeiterin fragte jeden Posten des Bankauszugs ab
Für all das schien sich die Anruferin brennend zu interessieren. Offensichtlich lag ihr ein Auszug von Baumbergers Geschäftskonten vor. Posten für Posten erkundigte sie sich nach dem Zweck der Zahlung. Selbst eindeutige Beträge wie die Mietzinsüberweisung gaben der UBS-Frau Anlass zu Fragen. Nach Darstellung von Baumberger klapperte sie die Namen der Geldempfänger ab, wollte wissen, wer sie sind und weshalb Baumberger ihnen Geld überwiesen hatte.
Baumberger, überrumpelt, gab Auskunft. Erst nach Beendigung des Verhörs begann es in ihr zu rumoren. «Was geht die das an?», fragte sie sich. «Es ist doch das Geld meines Unternehmens.» Sie hegte plötzlich Zweifel, ob es sich bei der Anruferin tatsächlich um eine Mitarbeiterin der UBS gehandelt hatte. Sie kontaktierte einen UBS-Mitarbeiter, den sie kannte, und erzählte, was vorgefallen war. Das habe alles seine Richtigkeit, beruhigte er sie. Die Anruferin arbeite im RTN-Team. Dieses Team sei – deshalb das Kürzel – für Rechtsanwälte, Treuhänder und Notare zuständig.
Die UBS beruft sich auf «regulatorische Vorschriften»
Auf Anfrage erklärt die UBS, dass alle Banken «im Rahmen der Prävention zur Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung und aufgrund diverser regulatorischer Vorschriften» die Aufgabe hätten, «das Transaktionsverhalten ihrer Kunden zu analysieren und bei Transaktionen mit erhöhten Risiken zusätzliche Abklärungen zu treffen». Ein Kriterium für Abklärungen seien «erhebliche Abweichungen gegenüber den in der Geschäftsbeziehung üblichen Transaktionsarten».
Gemäss Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finma) sind Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit erhöhten Risiken genauer abzuklären. Konkret nennt die Finma unter anderem Beziehungen zu politisch exponierten Personen oder zu Kunden aus risikobehafteten Ländern, hohe Zu- oder Abflüsse von Geldern oder komplexe Geschäftsstrukturen. Wenn Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken festgestellt werden, müsse die Bank Abklärungen treffen, heisst es auch bei der Bankiervereinigung. Die Sprecherin verneint aber eine besondere Überwachungspflicht für bestimmte Berufsgruppen.
Keine Antworten auf saldo-Fragen trotz Auskunftsermächtigung
saldo hatte Einsicht in die UBS-Konten der Zentralschweizer Treuhänderin. Es steht darin nichts, was im Entferntesten auf risikobehaftete Transaktionen hindeutet. saldo wollte deshalb von der UBS wissen: Weshalb interessiert sich die UBS-Mitarbeiterin für die Kontobewegungen und die Zahlungsempfänger von Baumbergers Treuhandbüro? Was gehen die UBS diese Namen an? Was haben die Fragen mit Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung zu tun? Welche Absichten verfolgt die Bank?
Die UBS verweigerte die Antworten, obwohl ihr saldo eine juristisch korrekt abgefasste und von Baumberger unterzeichnete Auskunftsermächtigung zugestellt hatte.
Es ging der Bank dabei offensichtlich nur um Zeitgewinn. Denn in der Zwischenzeit mobilisierte die Zentrale die Regionaldirektorin der UBS-Zentralschweiz, Susanne Thellung. Diese rief die Treuhänderin an und vereinbarte mit ihr einen Gesprächstermin. Bei diesem Treffen – so Baumberger – habe ihr Thellung beteuert, sie stehe auf keiner schwarzen Liste, die UBS behandle alle Kunden gleich. In ihrem Fall sei aber die Kommunikation unglücklich gewesen. Danach behauptete die Bank, die Kundin habe ihre Auskunftsermächtigung widerrufen. Davon weiss saldo nichts.
Mit Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung habe all das nichts zu tun, sagt ein Zürcher Rechtsanwalt. Es gehe den Banken darum, möglichst viele Daten von Kunden zu sammeln, um ihnen in der Regel ein Angebot zu machen. Das Angebot ziele darauf, Transaktionen nur noch über die eine Bank abzuwickeln.