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saldo 19/2022
22.11.2022
Letzte Aktualisierung:
23.11.2022
Marco Diener
Als Bub ging ich manchmal mit dem Kesseli in die Milchhandlung Ruchti um die Ecke. Meine Mutter gab mir zum Bezahlen jeweils einen Einfränkler mit.
Als ich einmal anstand, hörte ich, wie eine Kundin sagte: «Tüets ufschriibe.» Zahlen musste sie nicht. Ich wunderte mich, dass die Frau ohne Geld einkaufen konnte. Zu Hause erklärte mir meine Mutter, dass der Milchhändler alle Einkäufe dieser Kundin aufschreibe, am Monatsende zusammenzähle u...
Als Bub ging ich manchmal mit dem Kesseli in die Milchhandlung Ruchti um die Ecke. Meine Mutter gab mir zum Bezahlen jeweils einen Einfränkler mit.
Als ich einmal anstand, hörte ich, wie eine Kundin sagte: «Tüets ufschriibe.» Zahlen musste sie nicht. Ich wunderte mich, dass die Frau ohne Geld einkaufen konnte. Zu Hause erklärte mir meine Mutter, dass der Milchhändler alle Einkäufe dieser Kundin aufschreibe, am Monatsende zusammenzähle und dann den ganzen Betrag aufs Mal verlange. «Anschreiben lassen», sage man dazu.
Die Zeiten haben geändert. Herr Ruchti hat die Milchhandlung längst aufgegeben. Die Milch kauft man bei Coop, in der Migros oder im Bioladen. Und anschreiben lassen kann man auch nicht mehr. Der moderne Konsument zahlt inzwischen mit Karte.
Ich bin kein moderner Konsument. Ich zahle noch immer bar. Das mag altmodisch sein. Aber falsch ist es nicht. Das zeigte sich kürzlich, als im Coop wieder einmal keine Kartenzahlungen möglich waren. Nicht alle hatten das mitbekommen. Mit vollem Einkaufswagen, aber ohne Bargeld standen sie an der Kasse. Manche räumten die Ware wieder in die Regale. Andere liessen den vollen Wagen einfach genervt stehen und gingen. Aufräumen mussten die Angestellten.
Für den Fall, dass es mit den Kartenzahlungen wieder mal nicht klappen sollte, hat Coop nun eine Lösung: Die Kunden können die Ware mitnehmen, ohne zu bezahlen, wenn sie ihre Personalien angeben. «Die offenen Beträge» müssen sie laut Coop «innert dreier Tage in der Verkaufsstelle begleichen».
Eigentlich ist es wie früher beim Milchhändler Ruchti: «Tüets ufschriibe.»