Glaubt man den Tageszeitungen, geht es den Pensionskassen immer schlecht. Jetzt aktuell wegen der Coronapandemie. So warnte der «Tages-Anzeiger» am 13. Mai, ein Viertel der beruflichen Vorsorge sei in Unterdeckung: «Sprich: es waren zu wenig Mittel vorhanden, um die Renten finanzieren zu können.» Die NZZ titelte «Jede vierte Pensionskasse fällt in Unterdeckung». Sie prognostiziert für die Zukunft höhere Lohnabzüge für die Pensionskasse und weniger Zinsen auf den Sparguthaben der Versicherten. Auch das würde im Alter zu tieferen Renten führen.
Diese Angstmacherei ist unbegründet. Die Renten aus der zweiten Säule sind trotz Coronakrise sicher. Auch wenn der Deckungsgrad einer Pensionskasse vorübergehend unter 100 Prozent sinken sollte. Bei einem Deckungsgrad von 100 Prozent hat eine Kasse genügend finanzielle Mittel, um alle Versicherten auszuzahlen. Eine Pensionskasse in Unterdeckung hätte nur dann Probleme, wenn alle Versicherten gleichzeitig pensioniert oder ihren Arbeitgeber wechseln würden. Dieser Fall ist höchst unwahrscheinlich.
Kommt hinzu: Die Schlagzeile der NZZ ist unzutreffend. Nicht jede vierte Kasse befindet sich in Unterdeckung. Tatsächlich sind es 12 Prozent oder 164 der untersuchten Pensionskassen.Das zeigt ein Bericht der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge. Sie rechnete aufgrund der Anlagestrategie und der Entwicklungen der Aktienmärke bei 1342 von total 1624 Pensionskassen die aktuelle Finanzlage per Ende April 2020 hoch.
Der aktuelle Börsenkurs spielt keine Rolle
Die Unterdeckung überrascht nicht: Der Kurssturz an der Börse vom März zählt zu den tiefsten Einbrüchen der vergangenen 120 Jahre. Davon betroffen sind natürlich auch Pensionskassen, deren Vermögen nicht nur aus Obligationen und Immobilien besteht, sondern im Durchschnitt auch aus einem guten Drittel Aktien. Doch Pensionskassen legen ihr jedes Jahr wachsendes Kapital auf lange Zeit an. Die Versicherten zahlen vierzig Jahre lang ein, und als Rentner zehren sie ihr Altersguthaben nur langsam auf. Die Kassen müssen deshalb bei sinkenden Kursen keine Aktien verkaufen. Deshalb sagt der aktuelle Börsenkurs kaum etwas über die Sicherheit einer Pensionskasse aus.
Das zeigt das Beispiel der Pensionskasse Profond. Mit 50 Prozent hat sie den höchsten Aktienanteil aller Kassen. Sie ist also vom Auf und Ab an den Börsen am meisten betroffen. 2019 erzielte Profond auf dem Vermögen der Versicherten eine sehr gute Rendite von 13,5 Prozent und wies Ende Jahr einen Deckungsgrad von 111,4 Prozent auf. Im März dieses Jahres geriet die Kasse auf dem Papier mit 97,1 Prozent in Unterdeckung. Bereits im April lag der Deckungsgrad aber wieder bei über 100 Prozent. Ähnlich war der Verlauf in der Bankenkrise im Jahr 2008. Damals geriet die Profond gar mit 82,4 Prozent massiv in Unterdeckung. Fünf Jahre später war sie mit 104,2 Prozent wieder im grünen Bereich – ohne jegliche Sanierungsmassnahmen.
Das zeigt: Börsenkurse erholen sich nach Turbulenzen relativ schnell wieder. In der Bankenkrise kam es von Juni 2007 bis März 2009 mit einem Minus von 54 Prozent zum bisher grössten Absturz des Swiss Performance Index (SPI). Das ist der Index aller an der Schweizer Börse gehandelten Aktien. Doch in nur vier Jahren hatte der SPI die Verluste schon wieder aufgeholt und stieg weiter (saldo 8/2020).
Langzeitvergleich: Aktien sind am rentabelsten
Das gleiche Bild zeigte sich zwischen September 2000 und März 2003. Damals tauchte der SPI um 52 Prozent. Es dauerte nur drei Jahre, bis er sich erholt hatte. Ein Langzeitvergleich der Genfer Bank Pictet zeigt, dass Aktien trotz des Auf und Ab an den Börsen die rentabelste Anlageform sind. Von 1925 bis 2019 erzielten Schweizer Aktien kaufkraftbereinigt im Durchschnitt 7,65 Prozent Rendite. Obligationen schnitten mit 2,38 Prozent klar schlechter ab. In einem Vergleich der Entwicklung von Schweizer Aktien in Zehnjahresperioden stellte sich die Zeit von 1991 bis 2000 mit einer Gesamtrendite von 528 Prozent als lukrativste Periode heraus. Im schlechtesten Jahrzehnt von 1999 bis 2008 mussten sich Anleger mit 1,6 Prozent zufriedengeben («K-Geld» 1/2020). Aber Verluste machten sie in Perioden von zehn Jahren nie.