Die Schläge waren heftig. «Der Lärm war so gross, dass ich in die Garage zurückrannte, um nachzuschauen, was los war», erzählt die Klägerin dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich. «Dort stand der Mechaniker des Abschleppdienstes mit einer über einen Meter langen Metallstange in der Hand und schlug mit voller Wucht auf die Lichtmaschine.»
Die 50-jährige Treuhänderin ist ohne Anwalt vor Gericht erschienen und sichtlich aufgewühlt: «Man schlägt doch nicht wie ein Wilder mit einer Metallstange auf einen Motor. Welcher normale Mensch tut so etwas?»
Der Richter wirft der Gegenpartei einen fragenden Blick zu. Doch die Klägerin ist noch nicht fertig und erzählt, wie es im Sommer 2021 zu dem Vorfall gekommen war. Am 19. Juli um 4 Uhr morgens war sie nach einem Termin in der französischen Hafenstadt Marseille mit dem Auto nach Zürich zurückgekehrt. Nach ein paar Stunden Schlaf wollte sie ins Büro fahren, doch das Auto sprang nicht an. Sie rief eine Pannendienstfirma an, die ihr der Touring Club der Schweiz vermittelt hatte. Eine Stunde später stand der Mechaniker in ihrer Garage.
Schlag mit der Metallstange «normale Vorgehensweise»
«Später hörte ich von der Küche aus, wie mein Wagen nach dem Überbrücken ansprang», erzählt die Treuhänderin. Danach habe der Mechaniker aber den Motor wieder abgestellt und zur Metallstange gegriffen. «Ich bin keine Expertin, aber meine Lebenserfahrung sagt mir: Wenn man auf etwas schlägt, dann geht es kaputt.» Der Mechaniker habe ihr am Ende mitgeteilt, dass er das Auto nicht reparieren könne und es in eine Garage abgeschleppt werden müsse. Dort wurde festgestellt, dass die Lichtmaschine kaputt war. Die Frau fordert von der Pannendienstfirma deshalb 1600 Franken. So viel habe die neue Lichtmaschine gekostet.
Der Anwalt des Beklagten hält dagegen. Die Lichtmaschine sei bereits vor dem Schlag kaputt gewesen. Doch bevor er weiter ausholen kann, erhebt sich der Inhaber der Pannendienstfirma und bittet den Richter, etwas sagen zu dürfen. «Ich bin seit über 31 Jahren Mechaniker und im Gegensatz zur Klägerin Experte. «Ja, es trifft zu: Mein Mitarbeiter schlug auf die Lichtmaschine. Konkret: auf deren Schutzhülle. Diese besteht aus massivem Stahl.» Der Mechaniker sei so vorgegangen, weil der Regler unter der Schutzhülle, «das Herzstück der Lichtmaschine», defekt gewesen sei. «Mit Schlägen auf die Schutzhülle versuchte er den Regler wieder zum Laufen zu bringen», erklärt der Beklagte. Das sei eine normale Vorgehensweise, die viele Mechaniker praktizieren würden. Ausserdem habe sein Mitarbeiter mit einem Wagenheber-Rohr hantiert, das im Inneren hohl sei. «Es ist unmöglich, damit die Schutzhülle einer Lichtmaschine zu beschädigen.»
Der Richter schlägt die Beilegung des Streits durch einen Vergleich vor. Die Klägerin lehnt ab: Der Grund für den defekten Regler sei doch erwiesen. Auch den Vorschlag des Gerichts, das Auto durch einen Experten untersuchen zu lassen, weist sie zurück.
Ein paar Wochen später folgt das Urteil: Darin kommt der Einzelrichter zum Schluss, die Treuhänderin habe nicht hinreichend beweisen können, dass die Schläge zum Defekt der Lichtmaschine geführt hätten. Er weist die Klage ab. Die Klägerin muss 500 Franken Gerichtsgebühren sowie die Anwaltskosten der Gegenpartei von 600 Franken übernehmen.
Beizug eines Anwalts erhöht Chancen vor Gericht
Ordentliche Gerichtsverfahren sind stark formalisiert und stellen für Laien eine grosse Herausforderung dar. Denn das Gericht stellt den Sachverhalt nicht von Amtes wegen fest. Das heisst: Es überlässt es den Parteien, die Tatsachenbehauptungen und die Beweismittel vollständig zu nennen und einzubringen. Je nach Sachlage sind weitere Beweismittel wie Zeugen, ein Augenschein oder Expertisen nötig. Wer sich durch einen Anwalt vertreten lässt, muss sich um all diese Formalitäten nicht kümmern.