Der Farbstoff Titandioxid steckt in vielen Alltagsprodukten: etwa in Kaugummis von Coop Prix Garantie oder M-Budget, in Mentos Spearmint oder Stimorol Mint Mix, in Zahnpasten wie Candida Professional, Dentamed oder Sensodyne Original. Er steckt auch in UV-Blockern von Sonnenschutzmitteln wie Nivea Sun Protect & Bronze mit Schutzfaktor 20+ oder Lavera-Sonnencreme LSF 30 und in Nahrungsergänzungsmitteln wie Actilife Vegetarier Depot oder Sanactiv-Kohletabletten. Coop verkauft nach eigenen Angaben rund 200 Produkte mit Titandioxid. Die Migros schätzt, dass ein paar Hundert ihrer Artikel den Stoff enthalten.
Die Industrie verwendet ihn laut dem Europäischen Verband der Titandioxid-Hersteller als Antiklumpmittel und um Lebensmittel oder Kosmetika weisser, glänzender und frischer aussehen zu lassen. Der Einsatz in Lebensmitteln habe «keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen».
Titandioxid kann Entzündungen verschlimmern
Die französische Regierung hingegen ist überzeugt, dass Titandioxid ein Gesundheitsrisiko sein kann. Deshalb verbietet sie den Stoff ab nächstem Jahr in Lebensmitteln. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stuft ihn als «möglicherweise krebserregend» ein. 2017 untersuchten Forscher um Gerhard Rogler am Universitätsspital Zürich, wie der Farbstoff bei Mäusen wirkt. Ergebnis: Titandioxid verschlimmerte Darmentzündungen, beschädigte die Darmschleimhaut und reicherte sich in der Milz an. Laut Rogler kann «jede Form von chronischer Reizung zu Tumoren führen». In Mikrogrössen sei Titandioxid «vollkommen ungefährlich», sagt der Professor für Magen- und Darmkrankheiten. Heikel seien die viel kleineren Nanogrössen. Die Winzlinge können Zellwände durchdringen (saldo 9/2019). Das Problem: Titandioxid in Lebensmitteln enthält immer einen Anteil Nanopartikel – und zwar bis zu 50 Prozent. Das stellten Forscher von ETH und Uni Zürich in einer Studie im «Journal of Nanobiotechnology» im letzten Jahr fest.
Die Studienergebnisse deuten laut Rogler darauf hin, dass die Nanopartikel vor allem Menschen gefährden, die an chronischen Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden. Sie sollten Nahrungsmittel mit Titandioxid meiden. Auch Patienten mit Hautentzündungen würden sich «möglicherweise» Gesundheitsrisiken aussetzen, wenn sie Sonnenschutzmittel mit Titandioxid benutzen.
Rogler lobt das Verbot in Frankreich: «Es schützt eine Minderheit der Bevölkerung vor einer potenziellen Gefahr.» SP-Nationalrätin Martina Munz fordert auch in der Schweiz ein Verbot der heiklen Nanopartikel in Nahrungsmitteln: «Der Gesundheitsschutz ist wichtiger als das hübsche Aussehen eines Produktes.»
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit sieht keinen Handlungsbedarf. Es verweist auf die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA. Ihr zufolge gäben die Daten zu diesem Stoff in Lebensmitteln nicht genügend Hinweise auf gesundheitliche Gefahren. Coop und Migros sagen, sie setzten in Lebensmitteln Titandioxid nicht in Nanoform ein.
Die Hersteller müssen den Stoff laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit in Nahrungsmitteln und Kosmetika deklarieren. Erst ab Mai 2021 müssen sie aber auch angeben, ob ihr Produkt Titandioxid in Nanogrösse enthält.
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