Seit dem 1. April 2012 sind Tierärzte verpflichtet, in ihrer Praxis die Preise «leicht zugänglich und gut lesbar» bekanntzugeben. Laut einem Informationsblatt des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) müssen die Preisangaben «für die Kunden verfügbar sein, ohne dass diese danach fragen müssen». Empfohlen wird das Anschlagen oder Auflegen der Preise im Wartezimmer oder Eingangsbereich der Praxis. Das Seco verlangt Angaben zu den Stundenansätzen für Behandlungen, zu den Preisen für Standardleistungen wie Untersuchungen, Impfungen, Narkosen und Routineoperationen, total über 90 Positionen.
Halten sich die Tierarztpraxen an die Preisbekanntgabe-Verordnung? saldo hat dazu 25 Praxen überprüft. Resultat: Nur 10 Praxen (40 Prozent) halten sich ans Gesetz. Besonders gut abgeschnitten hat der Kanton St. Gallen, wo 4 von 5 besuchten Praxen die Preise korrektbekanntgegeben haben. In den beiden Basel, Bern und Zürich jedoch hat nur je eine Praxis die Vorgaben erfüllt.
6 von 25 Tierärzten halten sich teilweise an die Vorgabe: Eine Preisliste ist vorhanden, aber Umfang oder Zugänglichkeit sind eingeschränkt. So verfügt etwa Spescha’s Kleintierpraxis in Schüpfen BE über eine Preisliste, doch sie hängt im Behandlungsraum statt beim Empfang und ist sehr kurz gehalten. Beim Animal Health Center Hofmann in Binningen BL ist die Liste an einer Tafel angebracht, wird aber von anderen Informationen überdeckt und hängt auf Kniehöhe.
Über ein Drittel der Praxen macht keinerlei Preisangaben
In 9 Praxen (36 Prozent) war eine Preisliste weder aufgehängt, noch lag sie im Wartezimmer auf. Besonders in den Kantonen Bern und den beiden Basel war die Erfüllungsquote tief. Tierärztin Tatiana Lentze von der Tierarztpraxis Bärn West sagt, sie habe nicht gewusst, dass sie die Preise zugänglich machen muss. Sie werde der Aushängepflicht künftig nachkommen. Auch Beni Wyss von der Tierarztpraxis zur Buchwigger in Willisau LU will die Preise in Zukunft auflegen. Aber: «Für mich ist das nach wie vor nicht verständlich.» Für die Kunden sei der Behandlungspreis nicht das erste Kriterium in der Tierarztpraxis. Und wer sich für die Preise interessiere, werde offen informiert.
Tatsächlich erteilten die Praxen ohne frei verfügbare Preislisten saldo auf mündliche Nachfrage Auskunft. Die entsprechenden Angaben entnahmen die Praxisassistentinnen dem Computer oder sie erkundigten sich bei den Tierärzten.
saldo hat jeweils den Preis für eine Erstkonsultation einer Katze sowie für die Kastration aus den Listen herausgesucht oder erfragt. Die Preisspanne ist gross. Es kann sich also durchaus lohnen, die Preise einiger Praxen zu vergleichen. Mit 32 Franken am günstigsten ist die Erstkonsultation in der Kleintierpraxis Zentrum in Schliern bei Köniz BE. Über 84 Prozent mehr – 59 Franken – kostet die Dienstleistung in der Kleintierpraxis Sevogel in Basel. Die Kastration ist mit 154 Franken am günstigsten bei den Tierärzten Sonderer & Büchel in Oberriet SG. Bis zu 260 Franken müssen Kunden im Animal Health Center in Binningen BL hinblättern. Der hohe Preis sei gerechtfertigt, sagt Tierarzt Andreas Hofmann. Während der Narkose finde eine aufwendige Überwachung statt und eine Nachkontrolle sei inbegriffen. «Wir kosten mehr, bieten aber auch mehr.»
Auch im Welschland erfüllen viele Tierärzte die Vorgaben nicht
Peter Glauser von der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte bestätigt, dass sich selbst standardisierte Leistungen hinsichtlich Methode, Pflege und Ausgestaltung unterscheiden können. Ferner beeinflusse die Lage der Praxis, etwa in Grenznähe oder in einem Stadtzentrum, das Preisniveau. Er räumt jedoch ein, dass es bei den Preisen durchaus «schwer begründbare Ausreisser nach oben wie auch nach unten gibt».
Glauser bestreitet, dass die Tierärzte die Preisbekanntgabe-Verordnung in der Mehrheit ungenügend umsetzen. Ein Grossteil der Veterinäre halte das Gesetz ein. Nur «einzelne Praxen» würden die Vorgaben nicht erfüllen. Aber: Eine ähnliche Stichprobe der Féderation Romande des Consommateurs im letzten Jahr hat für Westschweizer Tierarztpraxen ebenfalls nur eine Erfüllungsquote von gut 40 Prozent ergeben.
Das Seco hat keine Zahlen zur Einhaltung der Preisbekanntgabe-Verordnung in Tierarztpraxen. Es verweist auf die Kantone. Diese seien für den Vollzug der Regelung zuständig und hätten die Befugnis, Verstösse mit bis zu 20 000 Franken zu bestrafen.
Die Antworten der in der Stichprobe geprüften Kantone zeigen einen sehr unterschiedlichen Umgang mit der Verordnung. Im Kanton St. Gallen etwa kontrolliert seit 2013 das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen die Einhaltung der Preisanschrift. Seither wurde vier Mal ein Mangel festgehalten und mit einer Frist zur Behebung versehen. Bern, Zürich und Luzern haben bislang angeblich keine Verstösse festgestellt. Basel-Stadt nimmt die saldo-Resultate zum Anlass, Praxen anzuschreiben und danach Kontrollen durchzuführen. Und der Kantonstierarzt von Baselland gibt freimütig zu: «Wir haben dem bisher keine Beachtung geschenkt.»
Kriterien
saldo hat bei 25 Tierärzten – je 5 in den Kantonen Basel-Stadt und -land, Bern, Lu- zern, St. Gallen und Zürich – die Einhaltung der Preisbekanntgabe-Verordnung überprüft. Der Tester stellte sich als Neuzuzüger vor. Fand er beim Empfang oder im Wartezimmer keine Liste, erkundigte er sich nach den Preisen für eine Erstkonsultation und Kastration einer weiblichen Katze.
- Musste die Assistentin die Preise aus dem Computer heraussuchen oder beim Tierarzt erfragen, qualifizierte saldo das als Nichterfüllen der Verordnung.
- Ein «Teilweise erfüllt» erhielten Praxen, bei denen die Preisliste unvollständig oder nicht frei ersichtlich war (verdeckt durch andere Dokumente, hinter dem Tresen, in anderem Raum).
- Ein «Erfüllt» gab es für Praxen, die im Wartezimmer oder Empfangsbereich eine umfassende Preisliste aufliegen oder hängen hatten.