Familien mit Kindern unter 18 Jahren müssten pro Jahr rund 720 Millionen Franken weniger Krankenkassenprämien zahlen, wenn der Vorschlag der Kommissionen von National- und Ständerat im Parlament eine Mehrheit findet. Bereits heute sind die Kinderprämien im Durchschnitt 74 Prozent tiefer als diejenigen der Erwachsenen. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Gesundheit hervor.
Die Prämienbefreiung für Kinder soll «kostenneutral» erfolgen. So hat es Ende August die Mehrheit der Gesundheitskommission des Nationalrats beschlossen. Das bedeutet: Für die Einnahmenausfälle durch den Wegfall der Kinderprämien müssten andere Versicherte aufkommen.
Bortoluzzi: «Bluten würden jene, die am wenigsten haben»
Die Frage lautet: Wer muss die Rechnung für die Gratis-Krankenkasse für Kinder zahlen? Sprich, auch die Rechnung für wohlhabende Haushalte mit Kindern? Für SVP-Nationalrat und Kommissionsmitglied Toni Bortoluzzi ist klar: «Entweder steigen die Prämien für die Erwachsenen – oder der Bund zahlt weniger Geld in den Prämienverbilligungstopf ein.»
Müssten die Erwachsenen mehr bezahlen, bedeutete dies gemäss Ständeratskommission einen Prämienschub von bis zu neun Prozent. Zu den Verlierern zählten alle, die älter als 18 Jahre alt sind und keine Kinder haben. Würde bei der Prämienverbilligung gekürzt, würden viele bisherige Bezüger weniger oder nichts mehr erhalten. «Der Bevölkerungsteil, der am wenigsten finanzielle Mittel hat, müsste bluten», kommentiert SVP-Gesundheitspolitiker Bortoluzzi. Er beantragt deshalb die Ablehnung des Vorstosses.
Die SP will die Kinderprämien abschaffen, aber dafür nicht andere Prämienzahler belasten: «Wenn wir die Prämien für die Kinder streichen, müssen wir sie über Steuern finanzieren», sagt Nationalrätin Jacqueline Fehr. Eine andere Lösung sieht sie nicht: «Würden für die Finanzierung der Kinderprämien bei den anderen Prämienzahlern Zuschläge erhoben, müssten ärmere Kinderlose die Kinderprämien von reichen Eltern finanzieren.»
Doch auch beim SP-Vorschlag würden die Kinder von Millionären von Prämienzahlungen befreit. Ist das sinnvoll? Gesundheitspolitikerin Fehr bejaht: Die reichen Eltern würden über ihre Steuern mehr zahlen, als sie durch den Wegfall der Kinderprämien erhalten.
Die Mehrheit in den parlamentarischen Kommissionen denkt zurzeit aber nicht daran, die Ausfälle durch Steuereinnahmen zu finanzieren. Sie wollen die Mittel für jenen Topf kürzen, aus dem heute Versicherte mit tiefen Einkommen Prämienverbilligungen erhalten.
Eine solche Lösung schwebt auch der Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel vor. Sie ist Urheberin der Forderung einer Gratis-Krankenkasse für Kinder. Vor über vier Jahren reichte sie im Parlament einen entsprechenden Vorstoss ein.
«Nicht alle Familien sind arm und alle Kinderlosen reich»
Silvia Locher, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Frauen und Männer, schüttelt ob den Vorschlägen der Parteipolitiker den Kopf: «Sie sollten sich endlich einmal von der Idee lösen, dass alle Familien arm und alle Kinderlosen reich sind. Es wäre viel gescheiter, jenen Personen und Familien zu helfen, die zu wenig Geld haben – egal ob sie Kinder haben oder nicht.»
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