Die Zürcher Konzerte der britischen Sängerin Adele am 17. und 18. Mai waren in drei Minuten ausverkauft. Für einen Stehplatz verlangte Ticketcorner 90 Franken, für einen Sitzplatz 110 Franken.
Wer eines der Konzerte besuchen will, findet auf Verkaufsplattformen im Internet heute immer noch Tickets: Bei Ticketbis kostete das günstigste Stehplatzticket Anfang Mai aber 272 Franken, bei Ricardo 286 Franken, bei Viagogo 288 Franken, bei Alltickets 295 Franken und bei Ebay gar 301 Franken. Ein Sitzplatz kostete gar bis zu 2250 Franken.
Die Adele-Konzerte sind kein Einzelfall. Sobald der Vorverkauf für Konzerte, Festivals oder Fussballspiele anläuft, schlagen die Graumarkthändler zu. Sie kaufen bündelweise Tickets, um sie auf Internetticketbörsen und Auktionsplattformen teurer wiederzuverkaufen.
Ticket nur mit Ausweis gültig
Diesem Treiben der Graumarkthändler hat das Gurten-Festival nun den Kampf angesagt. Laut Sprecher Simon Haldemann häuften sich im letzten Jahr die Beschwerden von Festivalfans. Deshalb sind beim diesjährigen Festival vom 14. bis 17. Juli alle Tickets personalisiert. Zugang zum Festivalgelände erhält man nur, wenn der Name auf dem Ticket mit dem Ausweis übereinstimmt. «So ermöglichen wir allen Leuten den Zutritt zum Normalpreis», sagt Haldemann.
Das neue System hat auch Nachteile. Mittlerweile ist das Open Air bis auf Eintagespässe für den Sonntag ausverkauft. Ein Weiterverkauf der Tickets auf dem Zweitmarkt ist nicht mehr möglich. Die Karten mussten bis Ende April personalisiert werden. Das schränkt auch normale Käufer massiv ein: Wer an der Teilnahme verhindert ist, bleibt auf dem Ticket sitzen.
Haldemann weist darauf hin, dass die Kunden beim Ticketkauf für 3 Franken eine Annullationsversicherung abschliessen konnten. Ein Drittel der Käufer habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Versicherung deckt aber längst nicht alle Fälle ab.
Immerhin: Das Gurten-Festival verspricht, sich generell kulant zu zeigen, da erstmals personalisierte Tickets eingesetzt werden. Man werde jeden Fall individuell anschauen, sagt Haldemann. Denkbar für die Zukunft sei auch eine vom Festival selber betriebene Ticketbörse. Diese würde nicht mehr benötigte Karten zum Originalpreis zurücknehmen und weiterverkaufen.
Ticketverkäufer unternehmen wenig
Alle von saldo angefragten Branchenvertreter kritisieren zwar den Graumarkt für Tickets und die hohen Gewinne, die damit gemacht werden. Ausser dem Gurten-Festival unternimmt aber niemand ernsthaft etwas dagegen. Ticketcorner und Starticket, die beiden grössten Schweizer Ticketverkäufer, sind beide technisch in der Lage, Billette zu personalisieren. Es liege aber an den Veranstaltern, eine Personalisierungspflicht für einzelne Konzerte oder Sportveranstaltungen einzuführen.
Für die Swiss Music Promoters Association, den Verband der Schweizer Musikveranstalter, ist die Personalisierung von Tickets «keine optimale Lösung». Sie sei für Veranstalter wie das Publikum umständlich. Zweckmässiger sei es, die Kunden vor den Risiken des Zweitmarkts zu warnen, die Bezugsmenge der Tickets zu limitieren und eigene Vermittlungsplattformen oder Tauschbörsen ohne Gewinnabsichten einzurichten.
Immerhin: Ticketcorner und Starticket beschränken schon seit einiger Zeit die Anzahl Tickets pro Kunde und überprüfen die Bestellungen auf bekannte Mehrfachbesteller. Damit wird die Spekulation mit Tickets erschwert, aber nicht unterbunden. Denn Profihändler erwerben ihre Tickets mit Hilfe von Temporärangestellten oder mittels verschiedener Namen.
Das Open Air St. Gallen setzt seit 2014 auf einen eigenen Verkaufskanal im Internet. Nur wer sich vorgängig registriert und den Prüfprozess bestanden hat, darf Tickets erwerben. Sprecherin Sabine Bianchi ist überzeugt, dass diese Massnahme gegen den Graumarkt wirkt und eine gute Alternative zu personalisierten Karten ist. «Wir erhalten jedenfalls keine Reklamationen mehr von enttäuschten Besuchern, die überteuerte Tickets kaufen mussten.»
Ein Blick auf die einschlägigen Ticketbörsen zeigt ein anderes Bild: Bei Ticketbis etwa kostet ein 4-Tages-Pass für St. Gallen mindestens 749 Franken. Der reguläre Preis beträgt 232 Franken.
Überteuerte Tickets für Fussball-EM
Auch der Zweitmarkt von Tickets für die Fussball-Europameisterschaft blüht: Einen Sitzplatz Kategorie 3 für den Match Schweiz– Frankreich vom 19. Juni bietet Viagogo für mindestens 282 Franken an. Der Originalpreis belief sich auf umgerechnet Fr. 60.50. Die Uefa erklärt, dass sie Zweitmarkt-verkäufe keineswegs billige. Zusammen mit Anwälten und Behörden gehe sie gegen die Händler vor.
Bundesrat will nichts unternehmen
In der Schweiz ist ein parlamentarischer Vorstoss des Waadtländer FDP-Nationalrats Olivier Feller hängig. Er verlangt die strafrechtliche Verfolgung von Graumarkthändlern. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Begehrens. Begründung: Einschränkungen im Weiterverkauf würden «an den Grundprinzipien des freien Wettbewerbs, der Wirtschaftsfreiheit und der Eigentumsgarantie rütteln». Es sei Sache der Veranstalter und nicht des Staates, gegen die Händler vorzugehen.
André Béchir, Chef des Konzertveranstalters ABC Production, findet, dass auch der Bund ein Interesse daran haben müsste, den Graumarkt zu bekämpfen. Denn die Händler liefern auf ihre Gewinne keine Mehrwertsteuer ab und zahlen keine Abgaben an die Urheberrechtsgesellschaft Suisa.
Solange es kein entsprechendes Gesetz gibt, dürfte die Personalisierung von Tickets also das wirksamste Mittel gegen den Graumarkt sein. Dass dies funktioniert, zeigt der Blick nach Belgien: Das Tomorrowland-Festival wendet das Personalisierungssystem seit 2013 an. «Es ist eine sehr effektive Art, den Ticket-Zweitmarkt zu bekämpfen», sagt Sprecherin Debby Wilmsen.