Der Thurgauer Unternehmer sitzt mit seinem Anwalt im Gerichtssaal. 2004 lernte er an einer Hochzeit in der Slowakei einen Mann kennen. Jetzt treffen sich die beiden wieder – aber unter anderen Umständen: am Bezirksgericht Frauenfeld vor zwei Richterinnen und einem Richter. Der Unternehmer fordert vom Slowaken die 30 000 Franken zurück, die er ihm geliehen hatte.
«Er war sehr nett und hatte an der Hochzeit förmlich die Freundschaft gesucht», berichtet der Schweizer dem Gericht. Der Mann habe als Einziger der Hochzeitsgäste Deutsch gesprochen. So seien sie ins Gespräch gekommen. «Ich erzählte ihm, dass ich in der Schweiz für eine Firma arbeite, die mit Tunnelbeleuchtungen handelt.» Schnell seien sie auf die Idee gekommen, die Beleuchtungsteile in der Slowakei zusammenschrauben zu lassen. «Das ist mindestens zwei Drittel billiger als in der Schweiz», habe ihm der Slowake zugesichert.
Rasch war die Idee umgesetzt und in der Slowakei eine Firma gegründet. Als Eigentümer und Geschäftsführer wurde der Slowake eingetragen. Laut dem Anwalt des Klägers hat der Thurgauer für Büroeinrichtung und Geschäftswagen immer wieder kleinere Summen, insgesamt 30 000 Franken, an die Firma des Slowaken überwiesen.
Beim Termin für die Rückzahlung wird der Thurgauer vertröstet
Bald habe sein Mandant gemerkt, dass der Slowake das Geld auch für andere Zwecke nutzte. «Er tätigte Bauprojekte und Finanzgeschäfte und handelte mit Baumaterial.» Der Thurgauer Unternehmer wurde misstrauisch und bestand auf einen schriftlichen Darlehensvertrag. Darin wurde festgehalten, dass der Slowake persönlich für das Geld haftet, falls sein Unternehmen es nicht zurückzahlt. Als es aber um die fristgemässe Rückzahlung ging, vertröstete der Slowake den Thurgauer Unternehmer immer wieder.
Die vorsitzende Richterin will vom Unternehmer wissen, warum er trotz seiner Zweifel erneut Geld in die Slowakei überwiesen habe. «Ich war naiv», antwortet er verlegen. «Der Mann kann gut reden und gewinnt die Leute schnell für sich. Er kann mit seiner Art schnell Vertrauen schaffen.» Ausserdem sei er im Laufe der Jahre auch zu einem Freund geworden.
Der Anwalt des Slowaken schildert eine andere Geschichte. Die Firma in der Slowakei habe in Tat und Wahrheit dem Thurgauer Unternehmer gehört. Er habe das geliehene Geld also in seine eigene Firma gesteckt. «Meinen Mandanten hat er bloss als Strohmann eingesetzt», ruft er dem Gericht energisch zu. Als der Unternehmer ihm plötzlich einen Vertrag zur Unterschrift vorgelegt habe, habe der Mann gar nicht verstanden, was er überhaupt unterschrieben habe.
Geld vermutlich nicht nur für die Fertigung der Lampen eingesetzt
«Falsch», kontert der Anwalt des Thurgauers: «Der Slowake wusste genau, was er macht. Er hat von Anfang an über die Produktion der Lampen hinaus weitere Geschäfte mit andern Kunden gemacht.»
Für die Richter tönt das nicht überzeugend. Trotz formeller Einsetzung des Slowaken als Inhaber und Geschäftsführer gehe aus dem E-Mail-Verkehr klar hervor, dass der Unternehmer dem Slowaken direkte Anweisungen gegeben habe, wie er die Firma leiten solle. Daraus ergebe sich, dass die slowakische Firma dem Thurgauer Unternehmer gehört habe. Aus diesem Grund sei der schriftliche Vertrag ungültig.
Das Gericht schlägt den Kontrahenten einen Vergleich vor
Das Gericht schlägt einen Vergleich vor: Der eingeklagte Slowake soll dem Kläger 4100 Franken bezahlen, die Gerichtskosten sollen geteilt werden, und jede Partei soll für die eigenen Anwaltskosten aufkommen. Die Richterin begründet die vorgeschlagenen 4100 Franken damit, dass sie dem Kläger bei einem Weiterzug der Klage weniger als 15 Prozent Chancen auf einen Sieg einräumt und dieser ursprünglich 30 000 Franken verlangt hatte.
Der beklagte Slowake ist sofort einverstanden. Schliesslich willigt auch der Unternehmer zähneknirschend in den Vergleich ein. Und ärgert sich erneut über sich selbst: Bei der Schlichtungsverhandlung vor dem Prozess hatte ihm der Slowake noch eine Zahlung von 5000 Franken angeboten. Das hatte der Thurgauer abgelehnt.
Nicht jedes Dokument überzeugt die Richter
Wer vor Gericht eine Forderung einklagt, muss seinen Anspruch beweisen können. Es ist nicht Sache der beklagten Partei, zu belegen, dass er dem Kläger nichts schuldet.
Häufigste Beweismittel sind schriftliche Dokumente, Zeugenaussagen und Expertisen. Das Gericht kann die Beweismittel frei würdigen. Das bedeutet: Es muss weder Zeugen blind glauben noch Verträge ungeprüft dem Urteil zugrundelegen.
Denn schriftliche Verträge können simuliert sein. Das bedeutet: Sie dokumentieren einen unrichtigen Sachverhalt. Bei Arbeitsverträgen etwa ist das nicht selten. So kommt es vor, dass der Lohn im Vertrag höher ist als der tatsächlich ausbezahlte Betrag. Oder dass nicht ein Arbeitsvertrag vorliegt, sondern ein Auftrag.