Strom ist in vielen Gemeinden der Schweiz seit Anfang Jahr sehr teuer. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Preise teils verdoppelt oder gar verdreifacht. Ein Durchschnittshaushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4500 Kilowattstunden (kWh) zahlt heute an zahlreichen Orten mehr als 1800 Franken pro Jahr (saldo 14/2022).
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom erinnerte Gemeinden und Stromversorger schon im vergangenen November daran, dass sie verschiedene Mittel «für eine Entlastung der Endverbraucher» hätten. Sie könnten etwa die Netznutzungstarife reduzieren oder aus ihren Reserven Rabatte finanzieren.
Auch hätten Gemeinden die Möglichkeit, auf Abgaben wie etwa für die öffentliche Beleuchtung zu verzichten oder Haushalte direkt zu unterstützen. «Wichtig ist, dass alle Endverbraucher gleichermassen entlastet werden», hielt die Elcom fest.
Setzten die Stromlieferanten diese Empfehlungen um? Ergriffen sie Massnahmen, die den Strompreisaufschlag für die Konsumenten reduzieren? saldo befragte die Behörden und Elektrizitätswerke der 25 Ortschaften, die dieses Jahr am meisten für Haushaltstrom verlangen (siehe Tabelle im PDF).
Acht Mal lautet die Antwort: Ja. Der Gemeinderat von Gaiserwald SG etwa beschloss im Dezember unter anderem, den Stromtarif für Haushalte gegenüber der ursprünglichen Ankündigung um durchschnittlich 12 Rappen pro Kilowattstunde (Rp./kWh) zu senken. Das verbilligt die Jahresrechnung um 540 Franken.
In Braunau TG reduzierte die Gemeinde den Tarif um 6 Rp./kWh, indem sie 300'000 Franken aus dem Eigenkapital des Elektrizitätswerks entnahm. «Wir haben im Elektritätswerk genügend Eigenkapital, um diese Massnahme durchzuführen», schreibt Gemeindepräsident David Zimmermann.
Eine gute Nachricht erhielten auch die Bewohner von Oberbüren SG: «Der Gemeinderat beschloss, 2023 eine ausserordentliche Abfederung von 6,5 Rp./kWh zugunsten der Endverbraucher zu gewähren», sagt Gemeindepräsident Alexander Bommeli.
«Zu wenig finanzielle Reserven» für Preissenkungen
Anders tönt es aus Aarberg BE, wo der Haushaltstrom seit Anfang Jahr rund dreimal so viel kostet wie 2022: «Als kleines Unternehmen verfügen wir nicht über genügend finanzielle Reserven, die zur Preisreduktion herangezogen werden könnten», sagt Bernhard Wüthrich, Geschäftsführer von Energie Wasser Aarberg.
Und Theo Bösiger, Gemeindepräsident von Rüti bei Büren BE, erklärt: «Leider können wir die Endverbraucher nicht finanziell unterstützen, da wir ein für unsere Gemeinde grosses Projekt am Laufen haben.» Man benötige die gesparten Mittel, um die Freileitungen durch Stromleitungen im Untergrund zu ersetzen.
Angst vor Strommangel spült viel Geld in die Kassen
Insgesamt geben elf der befragten Behörden und Elektrizitätswerke an, keine Entlastungsmassnahmen ergriffen zu haben. Einige ergänzen aber, es sei durchaus möglich, dass sich das noch ändere. Sechs Gemeinden antworteten nicht.
Kritisch äusserte sich Thomas Bosshard, Gemeindepräsident von Erlen TG. Die Gemeinde ergriff zwar Entlastungsmassnahmen für die Bürger. Doch Bosshard bemängelt, dass bei diesem Thema meist nur die Gemeinden und deren Netzbetreiber im Fokus stünden: «Was ist mit den Stromproduzenten?»
Die Frage ist berechtigt. Vor kurzem kündigte der nationale Netzbetreiber Swissgrid auf nächstes Jahr eine Tariferhöhung an, die einem durchschnittlichen Haushalt für 2024 Mehrkosten von 76 Franken bescheren wird. 54 Franken davon entfallen auf grosse Stromproduzenten wie BKW, Alpiq und Repower für die Winterstromreserve – also für die vom Bund veranlassten Wasserkraftreserven, fossilen Kraftwerke und Notstromanlagen, die diesen Winter gar nicht gebraucht wurden.
Mit anderen Worten: Nicht nur der hohe Preis, sondern auch die kräftig geschürte Angst vor einem möglichen Strommangel spült einigen Energieproduzenten reichlich Geld in die Kasse. Der Bundesrat schätzt die Gesamtkosten für die Winterstromreserve bis April 2026 auf rund 2 Milliarden Franken – Kosten, welche die Konsumenten tragen müssen.