Ein Jahres-Abo der NZZ kostet heute 814 Franken. In zehn Jahren ist die «Neue Zürcher Zeitung» um über 300 Franken teurer geworden – ein Aufschlag von 59 Prozent. Andere grosse Tages- und Sonntagszeitungen haben ihre Preise ähnlich stark erhöht, der «Tages-Anzeiger» etwa von 374 auf 576 Franken (plus 54 Prozent). Dies, obwohl die Teuerung in diesem Zeitraum rückläufig war. Zurückhaltender waren nur «Blick» und «Sonntags-Blick» (siehe Grafik im PDF).
Der Verlag Tamedia, der neben dem «Tages-Anzeiger» viele andere Tageszeitungen herausgibt, rechtfertigt die Preiserhöhungen mit sinkenden Werbeeinnahmen: «Seit 2010 hat der ‹Tages-Anzeiger› über 50 Prozent Werbeumsatz verloren.» Allerdings ist der Betriebsgewinn des Konzerns vor Abschreibungen von 152 Millionen im Jahr 2010 auf 197 Millionen Franken 2019 gestiegen.
CH-Media – unter anderem Herausgeberin der «Aargauer Zeitung» – erwähnt zusätzlich die «leicht sinkenden Abonnentenzahlen und die Digitalisierung». Ringier («Blick») führt zudem die «steigenden Zustellkosten» an. Und die NZZ argumentiert mit der grossen «redaktionellen Eigenleistung».
Die Anzahl Artikel hat sich halbiert
Die Preiserhöhungen liessen sich verschmerzen, würden auch Qualität und Quantität steigen. Doch das ist nicht der Fall. Daniel Vogler vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich hat für das Jahrbuch «Qualität der Medien», das im Herbst erscheint, die Zahl der Artikel in «Blick», NZZ, «Sonntags-Zeitung» und «Tages-Anzeiger» untersucht. Sein Befund: Vor 20 Jahren erschienen knapp 4000 Artikel pro Monat. Aktuell sind es nicht einmal mehr 2000.
Dazu kommt: Die gleichen Artikel werden mehrfach verwertet. Artikel des «Tages-Anzeigers» werden auch in der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung» und im «Bund» abgedruckt. Die Tamedia hat die Zahl der Mehrfachverwertungen von 2017 bis 2019 mehr als verdoppelt.
Websites wichtiger als gedruckte Zeitung
So viel zur Quantität. Und wie steht es um die Qualität? Aufmerksame Zeitungsleser stellten fest, dass die Tageszeitungen – höflich ausgedrückt – in den vergangenen Jahren nicht besser geworden sind.
Daniel Vogler bestätigt: «Die Qualität der Printmedien sinkt, wie wir in unserem letzten Jahrbuch gezeigt haben.»
Es ist offensichtlich, dass die Verlage ihre gedruckten Ausgaben immer stärker vernachlässigen. Ein Beispiel: Die verheerende Explosion, die sich Anfang August in Beirut ereignete, verschliefen viele Tageszeitungen. Die «Berner Zeitung» brachte tags darauf gerade mal einen 60-Zeiler auf Seite 11 – obwohl sich die Explosion um 17 Uhr Schweizer Zeit ereignet hatte. Der «Tagi» platzierte immerhin eine Notiz auf der Titelseite. Am besten schlug sich noch der «Blick».
Tamedia schreibt, dass die «Faktenlage unklar» gewesen sei. Doch das stimmt nicht. Das Problem ist, dass bei Tamedia seit Anfang Jahr die Devise «Mobile first» gilt. Auf Deutsch: Zuerst werden die Berichte für die Digitalkanäle publiziert. So veröffentlichten die Tamedia-Leute auf ihren Websites bis Mitternacht 23 Meldungen zur Katastrophe. Schon um 21.03 Uhr meldeten sie 30 Tote, zwei Stunden später 73.
Mehr Grösse zeigt die NZZ. Sie schreibt dem K-Tipp: «Dass die Libanon-Berichterstattung nicht auf der Titelseite der gedruckten Ausgabe platziert war, beruht auf fehlerhafter interner Absprache.»
Auch bei planbaren Ereignissen sind die gedruckten Ausgaben häufig nicht à jour: Als der FC Basel gegen Schachtar Donezk am 11. August aus der Europa League ausschied, standen die Zeiger erst auf 22.51 Uhr. Trotzdem stand tags darauf im «Bund» und in der «Berner Zeitung»: «Das Spiel war bei Redaktionsschluss noch im Gang. Lesen Sie alles zum Ausgang auf unserer Website.»
Deutsch für Deutsche
Auch sonst werden die Zeitungen immer liebloser gemacht. Ein Beispiel: Die Tamedia-Zeitungen übernehmen viele Artikel aus der «Süddeutschen Zeitung». Wenn dort von einem «Finanzamt» statt von einer «Steuerverwaltung» die Rede ist, geht das noch. Aber wenn dem spanischen Ex-König Juan Carlos «Durchstechereien» vorgeworfen werden, verstehen wohl die meisten Schweizer Bahnhof. Oder hätten Sie gewusst, dass damit Täuschung und Betrug gemeint sind?
K-Tipp nur 16 Prozent teurer
Im Jahresabo kostet der K-Tipp Fr. 43.50. Das sind exakt 6 Franken oder umgerechnet 16 Prozent mehr als vor zehn Jahren.
Aber der Umfang blieb unverändert – zudem wurden die Qualitätstests und die Beratungsteams stark ausgebaut.