Saldo-Leser Walter Knecht (Name geändert) aus Wolfwil SO steht kurz vor der Pensionierung. Er ist seit Jahren Kunde der Zürich- Versicherung.
Knecht will einen Teil seiner Pensionskassengelder als Kapital beziehen und selbst anlegen. Der Zürich-Berater schlug für die rund 200'000 Franken zwei Anlageprodukte der Versicherung vor. Sie würden für Sicherheit garantieren, sagte er. Und mit diesen Produkten könne man die hohe Inflation ausgleichen. Da er ein guter Kunde sei, übernehme die Zürich die Stempelsteuer von 2,5 Prozent, lockte der Berater.
Eine Lebensversicherung ist für Rentner nicht sinnvoll
Das erste Produkt, «Capital Certificate Tranche 17», bildet den Aktienwert grosser Unternehmen ab, die an der Schweizer Börse sind. Es ist aber kein Indexfonds, sondern ein Zertifikat, das von der Bank BNP Paribas herausgegeben wird.
Sicher ist das Produkt nicht – das musste der Zürich-Berater gegenüber Knecht zugeben: Ginge die französische Grossbank pleite, wäre das Geld weg. Das Zertifikat ist ein Darlehen. Das heisst: Knecht würde der Bank Geld leihen. Ein Indexfonds hingegen wäre sicherer. Die Fondsanteile wären sein Eigentum und würden ihm bei einem Konkurs der Bank herausgegeben.
Wer in das Zertifikat investiert, muss mindestens 20'000 Franken auf den Tisch legen und zehn Jahre durchhalten. Ein Teil des Gelds geht in eine Lebensversicherung. Das kann im Erwerbsleben zur Absicherung des Partners und der Kinder sinnvoll sein. Im Pensionsalter hingegen sind Lebensversicherungen meistens unnötig.
Läuft es an der Börse gut, würde Knecht mit dem Zertifikat nicht voll vom Erfolg der Aktien profitieren, sondern höchstens zu 90 Prozent. Läuft es schlecht, machen Anleger ab einem Einbruch von 50 Prozent Verlust – vorher ist das verwendete Geld geschützt. Ein so massiver Börseneinbruch ist bei zehn Jahren Anlagehorizont allerdings unwahrscheinlich.
Bei dem zweiten Produkt, «Zurich Invest Auszahlungsplan», könnte Walter Knecht die Anlagestrategie selbst wählen. Der Berater lockte mit möglichen Börsengewinnen. Die Zürich garantiere eine jährliche Auszahlung nach der Pensionierung. Aber nicht lebenslang wie bei einer Leibrente, sondern zeitlich begrenzt, zum Beispiel während 20 Jahren.
Was Walter Knecht nicht wusste: Im Kleingedruckten verstecken sich hohe Kosten. Die «Spezialbedingungen» zeigen, dass die Zürich von den Einzahlungen regelmässig einen Anteil abzieht: Bei Einmaleinlagen bis 250'000 Franken nimmt sie eine Kommission von bis zu 4 Prozent, also 10'000 Franken. Und bei den Risikostrategien «Ausgewogen» und «Wachstum» belastet sie den Kunden eine jährliche Vermögensverwaltungsgebühr von 0,9 Prozent. Pro Jahr fallen zudem 0,25 Prozent Depotgebühren an.
Zürich-Berater erhält jedes Jahr einen prozentualen Anteil
Im Kleingedruckten gibt die Versicherung zu, dass ihre Kundenberater in einem Interessenkonflikt stecken – wegen der Provisionen. Ein Berater erhält bei Abschluss eines Vertrags bis zu 5,4 Prozent der vom Kunden investierten Summe, bei einer Anlage von 200'000 Franken also bis zu 10'800 Franken. Dazu kommen für die Berater jährlich wiederkehrende Provisionen zwischen 0,2 Prozent und 0,39 Prozent. In zehn Jahren kann das nochmals knapp 8000 Franken ergeben. Das macht es für die Berater attraktiv, Produkte zu empfehlen, die für Kunden unvorteilhaft sind.
Auszahlungspläne von Versicherungen lohnten sich bisher für Kunden meistens nicht – auch wegen solcher Provisionsmodelle («K-Geld» 1/2018). Rentner fahren besser, wenn sie ihr Pensionskassenkapital selbst anlegen – bei einer Bank, nicht bei einer Versicherung. Dazu hat sich auch Walter Knecht entschieden, nachdem saldo aufzeigte, wie teuer die Empfehlungen der Zürich wären.
Die Zürich-Versicherung schreibt saldo, die Berater würden die Kunden umfassend und transparent über Chancen, Risiken sowie Kosten aufklären: «Je nach Lebens- und Vermögenssituation sind Lebensversicherungen auch für Pensionierte oder Personen kurz vor der Pension sinnvoll.» Christian Bütikofer