Seit kurzem ist ein neues Diabetesmedikament auf dem Markt: Ozempic von Hersteller Novo Nordisk. Patienten mit Diabetes des Typs 2 sollen sich das Medikament einmal pro Woche spritzen. Es sorgt dafür, dass der Körper mehr Insulin ausschüttet. Ärzte können es als alleiniges Medikament oder zusammen mit anderen Präparaten verschreiben.
Diabetes Typ 2 tritt meistens nach dem 40. Lebensjahr auf. Der Körper produziert zwar weiterhin Insulin, aber die Ausschüttung aus den Zellen der Bauchspeicheldrüse ist gestört oder die Körperzellen verlieren ihre Empfindlichkeit für das Hormon. Die Folge: Die Betroffenen leiden unter einem dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel.
Bei einem von zehn Patienten Netzhautablösungen
Ozempic kann den Blutzucker nachweislich senken. Doch das Mittel ist teuer. Eine Jahresration kostet rund 1500 Franken (siehe Tabelle im PDF). Zudem: Bei einem von zehn Patienten lösen sich Teile der Netzhaut in den Augen ab, wie die Europäische Heilmittelbehörde 2018 in einem Bericht festhielt. Hersteller Novo Nordisk schreibt, Ozempic-Patienten sollten die Augen regelmässig untersuchen lassen.
Der Wiler Arzt und Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik», Etzel Gysling, warnt zudem: Den Patienten, welchen Ozempic verschrieben wurde, sei es auch oft übel und sie müssten erbrechen. Bei manchen Patienten kann sich zudem die Bauchspeicheldrüse entzünden.
Ein Vorteil des neuen Mittels: Studien weisen darauf hin, dass es das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt senken könnte und die Patienten an Gewicht verlieren. Für «Gesundheitstipp»-Arzt Thomas Walser ist deshalb klar: Ozempic kommt nur für wenige Patienten in Frage, «allenfalls für solche mit Herz-Kreislauf-Problemen».
Neue Diabetesmittel: Nicht besser – aber viel teurer
Ozempic ist nur eines von vielen teuren und umstrittenen Diabetes-Medikamenten, die in den vergangenen Jahren auf den Markt kamen. Auch Victoza, Lyxumia oder Byetta von der gleichen Wirkstoffgruppe sind sehr teuer und haben unangenehme Nebenwirkungen. So erhöhen sie das Risiko für eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse («Gesundheitstipp» 16/2013). Laut Etzel Gysling schützt Victoza etwas besser vor Herz-Kreislauf-Krankheiten als Ozempic. Die deutsche Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» rät, das Medikament nur Diabetes-Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten zu verschreiben. Die Pharmafirma Sanofi rät zu Vorsicht mit Lyxumia bei Patienten, die bereits einmal eine entzündete Bauchspeicheldrüse hatten. Novo Nordisk schreibt, bei Victoza sei eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse sehr selten.
Die relativ neuen Medikamente der Gruppe der Gliflozine wie Forxiga, Steglatro, Invokana oder Jardiance wirken mässig und sind relativ teuer: Sie kosten pro Jahr rund 800 Franken. Die deutsche Fachzeitschrift «Arzneimittelbrief» warnte zudem bereits 2017, dass diese Mittel das Blut gefährlich übersäuern können, Patienten starben daran. Auch Harnweginfekte und Pilzinfektionen an den Genitalien können auftreten. Allerdings gibt es auch bei diesen Medikamenten Hinweise, dass sie das Herz schützen könnten. Astra Zeneca schreibt, die meisten Infektionen an den Genitalien mit Forxiga seien «leicht bis moderat». Janssen-Cilag erklärt, Invokana werde häufig zusammen mit Metformin verschrieben, um Komplikationen mit den Nieren zu senken. Und Merck hält fest, dass Steglatro nur sehr selten zu einer Übersäuerung des Blutes führe.
Auch Tabletten aus der Gruppe der Gliptine wie Onglyza, Trajenta oder Vipidia sind umstritten. Ihre Wirkung auf den Blutzucker ist beschränkt. Das «Arzneimittel-Telegramm» warnte, die Mittel könnten Gelenkschmerzen verursachen, Patienten sollten sie nur als Reservemittel nehmen. Die Hersteller von Onglyza und Vipidia raten zur Vorsicht bei Herzinsuffizienz. Für Diabetesexperte Ulrich Keller aus Basel sind Gliptine nur zweite Wahl. Für die meisten Patienten genüge ein Medikament, das sich seit Jahren bewährt hat: Metformin. Es senkt das Gewicht und schützt gut vor einer Unterzuckerung. Metformin hat weniger Nebenwirkungen als andere Medikamente und ist günstig – es kostet bloss 100 Franken pro Jahr.
Intensive Bewegung hilft bei Diabetes des Typs 2
Auch Sulfonylharnstoffe wie Amaryl oder Daonil sind günstig und senken den Blutzucker genügend. Doch sie können zu Unterzuckerung führen. Deshalb sollten Patienten laut Arzt Thomas Walser erst auf sie setzen, wenn sie Metformin nicht vertragen: «Dann sind diese Mittel die beste Wahl.» Hersteller Sanofi schreibt, Amaryl und Daonil müsse man genau nach Vorschrift einnehmen, um Unterzuckerungen zu vermeiden.
Gut zu wissen: Bei Diabetes Typ 2 helfen nicht nur Medikamente, sondern auch einfache Verhaltensmassnahmen. Ein wichtiger Risikofaktor ist Übergewicht. Facharzt Keller sagt: «Übergewichtige sollten abnehmen.» Diabetespatienten sollten sich auch intensiv bewegen. Zu wenig Bewegung führt dazu, dass der Körper den Blutzucker nicht abbauen kann. Keller empfiehlt dreimal pro Woche eine Stunde intensive Kraft- und Ausdauerübungen. Auch falsche Ernährung kann Diabetes begünstigen. So lassen Zucker und Weissmehl den Blutzucker in die Höhe schnellen. Obst und Gemüse hingegen haben viele Ballaststoffe und weniger Zucker. Das führt zu einem ausgeglichenen Blutzucker.