Schon die Herstellung klingt unappetitlich: Metzger pressen Hühnerknochen gegen ein Lochsieb. Knochen, Sehnen oder Knorpel bleiben im Sieb zurück, und die am Knochen hängenden Fleischreste sowie Bindegewebe und Fett werden abgepresst.
Dieses sogenannte Separatorenfleisch mischen die Fleischhersteller Pouletwürsten und -aufschnitt bei. Allein die Migros-Tochter Micarna stellt nach eigenen Angaben jährlich 1000 bis 2000 Tonnen dieses minderwertigen Fleischs her.
Konsumenten können das Separatorenfleisch mit einem Blick auf die Zutatenliste erkennen: Dort musste es früher als «Separatorenfleisch» bezeichnet werden, neu ist die Bezeichnung «mechanisch separiertes Pouletfleisch» verbreitet (siehe Kasten).
Knochenmark, Nerven und Blut aus den Rippenbögen
Eine saldo-Stichprobe ergab: Aldi, Denner, Lidl und Migros verkaufen Separatorenfleisch in Geflügelprodukten wie Poulet-Cervelats, Poulet-Bratwürsten oder Poulet-Aufschnitt – nicht aber in anderen Fleischwaren. Ihr Argument: Sie wollen möglichst alle Teile des Tiers verwenden. Die Detailhändler sagen, Separatorenfleisch sei «qualitativ einwandfrei» und mit Poulet-Hackfleisch vergleichbar.
Franz Josef Voll arbeitete als Metzger und Lebensmittelkontrolleur. Er entwickelte an der Hochschule Bremerhaven (D) ein Verfahren für den Labornachweis von Separatorenfleisch: «Dieses Fleisch kann Knochenmark, Nerven oder Blut aus den Rippenbögen enthalten. Ohne Zweifel ist Separatorenfleisch minderwertiges Fleisch.»
Coop und Bell verzichten auf Verarbeitung von Fleischresten
Der Vorteil für die Grossverteiler: Separatorenfleisch ist im Einkauf viel billiger zu haben als normales Fleisch. Günstiges Pouletfleisch zum Wursten kostet zum Beispiel gemäss Brancheninsidern 6 bis 8 Franken pro Kilo – Separatorenfleisch dagegen nur 2 bis 3 Franken. Trotzdem sind die Preise für Pouletprodukte mit Separatorenfleisch in den Läden nicht günstiger. Ein paar Beispiele:
Migros: Vier Poulet-Würstchen «Optigal Coquerli» mit 34 Prozent Separatorenfleisch und nur 22 Prozent normalem Pouletfleisch kosten Fr. 2.40. Das ist gleich viel, wie vier M-Classic-Geflügel-Wienerli ohne minderwertiges Separatorenfleisch kosten.
M-Budget-Geflügel-Cervelats mit 28 Prozent Separatorenfleisch und 27 Prozent Pouletfleisch kosten gleich viel wie Prix-Garantie-Poulet-Cervelats bei Coop ohne Separatorenfleisch.
Aldi verkauft 400 Gramm Poulet-Hotdog-Würstli der Marke «Alpina» mit Separatorenfleisch als Hauptzutat (43 Prozent) für Fr. 2.95. 400 Gramm Maestade-Geflügel-Hotdogs bei Lidl sind gleich teuer – ohne Separatorenfleisch und mit einem Pouletgehalt von 56 Prozent.
Coop und Bell setzen nach eigenen Angaben kein Separatorenfleisch ein. Die Begründung für den Verzicht: Es bestehe keine Nachfrage nach solchen Produkten.
Detailhändler lobbyierten für unklare Deklaration
saldo-Recherchen zeigen: Migros, Coop und die IG Detailhandel wollten die Deklaration von Separatorenfleisch verwässern. In der Vernehmlassung zur Revision der Lebensmittelverordnung 2019 forderten sie die Einführung einer Abkürzung: Separatorenfleisch solle künftig mit den für Konsumenten nichtssagenden Kürzeln MSF oder MEF bezeichnet werden dürfen. Begründung: Der Begriff Separatorenfleisch sei negativ behaftet. Die Detailhändler erhielten Unterstützung von überraschender Seite: Die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Freiburg, Glarus, Graubünden, Obwalden, Solothurn,
St. Gallen und Thurgau forderten dieselbe Abkürzung mit teilweise gleichlautender Begründung. Die Abkürzung sei «schmeichelhafter» und würde helfen, Fleischabfall zu reduzieren.
Der Bund entschied sich für einen Kompromiss: «mechanisch separiertes Pouletfleisch».