Einige Pestizide sind für die Testredaktion von saldo alte Bekannte – sie tauchen immer wieder auf. Dazu gehört etwa das Pilzgift Propamocarb. Die Labors fanden diesen Stoff schon in Fertigpizzas, Frühlingsrollen, Asianudeln, Tomatensaucen, Smoothies und Melonen – und jetzt auch in 6 von 15 Schweizer Kartoffeln. Immerhin wies keines der getesteten 15 Produkte Rückstände von Unkraut- und Insektengiften auf.
Die Kartoffeln waren auch frei von Keimhemmern. Diese Stoffe verhindern das Keimen der Knollen während der Lagerung. Im letzten Kartoffel-Test vor fünf Jahren enthielten 14 von 20 Proben den Keimhemmer Chlorpropham (saldo 7/2019). Der Stoff steht im Verdacht, Krebs zu erregen, und ist in der Schweiz seit Oktober 2020 verboten.
Keine Pestizide fand das Labor im aktuellen Test in den Bio- und Demeter-Kartoffeln. Die meisten konventionell produzierten Kartoffeln von Aldi, Coop, Denner, Migros, Spar und Volg dagegen enthielten Propamocarb. Der Stoff soll die Kraut- und Knollenfäule bekämpfen. Laut der Pestiziddatenbank der englischen Universität Hertfordshire hat Propamocarb eine hormonaktive Wirkung.
Bund erlaubt Notfalleinsatz des Pilzgifts Propamocarb
Der Grund für die im Test gefundenen Rückstände: Im vergangenen April wurde in Ecublens VD der Befall von Kartoffeln mit der Kraut- und Knollenfäule entdeckt. Im Juli erlaubte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit mittels Notfallzulassung die Verwendung von Propamocarb. Im letzten Kartoffel-Test vor fünf Jahren enthielt keine der 20 Proben Propamocarb. Damals setzten die Bauern noch das gesundheitsschädliche Pestizid Mancozeb gegen Kraut- und Knollenfäule ein («K-Tipp» 9/2021).
Seit Januar 2022 ist Mancozeb verboten. Propamocarb ist bei den Bauern ein beliebter Ersatz. 2021 wurden 7 Tonnen des Wirkstoffs verkauft – 2022 waren es bereits 27 Tonnen.
Auch IP-Suisse-Bauern benutzen die Chemikalie. Drei damit belastete Produkte von Coop, Denner und Volg trugen das Marienkäfer-Logo. Es ist nicht das erste Mal, dass IP-SuisseProdukte mit Pestizidrückständen auffallen. Schon in einer Stichprobe im letzten Jahr waren drei IP-Suisse-Äpfel mit 13 Spritzmitteln belastet («K-Tipp» 18/2023). Laut dem Bauernverband werden Produkte mit diesem Logo «besonders umweltfreundlich, nachhaltig und weitgehend ohne Pestizide hergestellt».
Teuerste Produkte enthielten hochgiftiges Pestizid
Die teuersten Kartoffeln im Test, die Patatli von Spar, enthielten Fluxapyroxad. Dieses Antipilzmittel kann laut der Pestiziddatenbank der Europäischen Chemikalienagentur über die Muttermilch an Kinder weitergegeben werden und gesundheitsschädlich sein. Der Stoff schadet auch Wasserlebewesen.
Alle Kartoffeln enthielten Spuren von Schwermetallen. Sie kommen im Boden vor, gelangen aber auch durch die Luftverschmutzung und die Landwirtschaft in die Natur.
Die pestizidfreien Kartoffeln wiesen nur Cadmium auf, vier der mit Spritzmittel belasteten Kartoffeln auch Blei. Die Migros-Kartoffeln Sélection enthielten zusätzlich noch Nickel. Allerdings waren alle gefundenen Gehalte gesundheitlich unproblematisch.
Die meisten Detailhändler weisen darauf hin, die gefundenen Mengen von Propamocarb lägen unter dem gesetzlich erlaubten Grenzwert. Die Migros bewertet «die minimalen Befunde» als klares Zeichen für die «engagierte und verantwortungsvolle Agrarpraxis». Denner schreibt, Propamocarb sei gemäss IP-Suisse-Richtlinien erlaubt.
Durchfall und Erbrechen: Vorsicht vor grünen und keimenden Kartoffeln
Kartoffeln bilden Solanin. Der Bitterstoff kommt auch in anderen Nachtschattengewächsen wie Tomaten vor. Bei den Kartoffeln steckt Solanin vor allem in Schalen, Keimen und in den «Augen».
Zu viel Solanin kann zu Vergiftungen führen. Zu den Symptomen gehören Kopfschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Bei schwerem Verlauf kann es zu Krämpfen und Sehstörungen kommen. So sind Sie auf der sicheren Seite:
- Keine alten, eingetrockneten, grünen oder stark keimenden Kartoffeln konsumieren.
- Wer die Schalen essen will, sollte nur einwandfreie und frische Kartoffeln zubereiten. Kleine Kinder sollten nur geschälte Kartoffeln essen.
- Kartoffeln zu Hause kühl, dunkel und trocken lagern.
- Kleine Kartoffeln enthalten tendenziell mehr Solanin, da sie im Verhältnis zum Volumen mehr Schale aufweisen.
- Solanin überlebt selbst starkes Erhitzen. Der Stoff geht zum Teil ins Kochwasser über. Daher Kochwasser von Kartoffeln nicht wiederverwenden.
So hat saldo getestet
Ein deutsches Labor untersuchte für saldo 15 Proben von Schweizer Kartoffeln. Der Einkauf fand Mitte August statt. Ausländische Kartoffeln waren zu diesem Zeitpunkt nicht im Handel. Die Prüfpunkte im Detail:
Pestizide: Die Experten suchten nach über 500 Substanzen, die Insekten, Pilze oder Unkraut vernichten sollen. Auch Glyphosat und dessen Abbauprodukt Ampa wurden analysiert.
Chlorpropham: Der Stoff verhindert bei Kartoffeln die Bildung von Keimen während der Lagerung. Chlorpropham ist in der Schweiz seit Oktober 2020 verboten. Die Substanz schädigt Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung und gilt als krebserregend und organschädigend.
Mancozeb: Der Pilzvernichter soll Kartoffeln vor Kraut- und Knollenfäule schützen. Das Pestizid kann bei Menschen unter anderem die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Der Wirkstoff ist in der Schweiz seit Januar 2022 verboten.
Chlorat, Perchlorat: Gelangen in die Kartoffeln, wenn diese mit chlorhaltigem Wasser gewaschen werden. Beide Substanzen gelten als heikel, da sie die Aufnahme von Jod in der Schilddrüse hemmen. Sie wurden nicht gefunden.
Schwermetalle: Das Labor prüfte die Kartoffeln auf die giftigen Metalle Blei, Cadmium, Nickel, Uran.