Tankstellen verkaufen unter anderem «Bleifrei 95» und «Diesel». Benzin kann bis zu 5 Prozent Bioethanol und Diesel bis zu 7 Prozent Biodiesel enthalten, ohne dass die Tankstellen das deklarieren müssen.
Letztes Jahr führten die Mineralölgesellschaften fast 29 Millionen Liter Bioethanol ein – über drei Mal so viel wie im Vorjahr. Das berichtete das SRF-Fernsehmagazin «Eco». Vom Biodiesel verkauften sie gemäss saldo-Recherchen 45 Millionen Liter. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Welche Tankstellen Benzin und Diesel verkaufen, die mit Biotreibstoffen vermengt sind, ist nicht bekannt. Bioethanol stammt zu 100 Prozent aus dem Ausland, bei Biodiesel werden 85 Prozent importiert.
Bei Biotreibstoffen verzichtet der Bund auf die Mineralölsteuer
Biotreibstoffe werden aus pflanzlichen oder tierischen Rohstoffen hergestellt. Sie gelten als umweltschonend. Die Mineralölunternehmen mischen Biosprit aber nicht aus Umweltschutzgründen bei – sondern wegen des Geldes. Biotreibstoffe sind seit Mitte 2008 von der Mineralölsteuer befreit, sofern sie gewisse ökologische und soziale Mindestanforderungen erfüllen. Damit ist Bioethanol für die Mineralölkonzerne 72 Rappen pro Liter billiger und Biodiesel fast 76 Rappen pro Liter.
Kommt hinzu: Importeure fossiler Treibstoffe sind verpflichtet, einen Teil der CO2-Emissionen des motorisierten Verkehrs mit Klimaprojekten im Inland zu kompensieren. Dieses Jahr müssen es 5 Prozent sein, bis 2020 steigt der Kompensationssatz auf 10 Prozent.
Wenn die Mineralölunternehmen Biotreibstoffe beimischen, wird ihnen das als Reduktion der Emissionen angerechnet. So sparen sie wiederum Geld. Konkret: Die Kompensation einer Tonne CO2 kostet nach Angaben des Bundesamts für Strassen im Durchschnitt 100 Franken. Eine Tonne CO2 entspricht zum Beispiel der Menge, die ein VW Golf 2.0 GTI auf 7200 Kilometern produziert.
Geben die Mineralölunternehmen die Preisvorteile an die Kunden weiter? Ulrich Frei vom Branchenverband Biofuels verneint. «Momentan verdienen wir nichts mit Biotreibstoffen», sagt er. Wegen des tiefen Ölpreises seien Bioethanol und Biodiesel im Ankauf verhältnismässig teuer geworden. Zudem seien bei den Mineralölkonzernen grosse Investitionen für den Bau von Beimischanlagen nötig.
Qualitätseinbussen statt Preisvorteile für die Kunden
Die Autofahrer müssen nicht nur auf günstigere Preise verzichten, sie erhalten für ihr Geld auch noch schlechtere Qualität. Laut Christian Bach von der Empa in Dübendorf ZH ist der Energiegehalt von Bioethanol rund ein Drittel niedriger als von Benzin. Beim Biodiesel liegt der Energiegehalt 10 bis 15 Prozent tiefer als bei normalem Diesel. Das heisst: Beigemischter Biotreibstoff führt zu einem leicht erhöhten Verbrauch. Bei Beimischraten im einstelligen Prozentbereich können gemäss Bach Beeinträchtigungen des Motors oder des Motorsystems «praktisch ausgeschlossen werden».
Hingegen sind höhere Prozentanteile – wie in Deutschland und Frankreich verbreitet – nicht für alle Benzinmotoren verträglich. Sie sind an den Tankstellen angeschrieben mit E10 oder SP95-E10.
Agrarflächen für Nahrungsmittel kommen unter Druck
Können die Autofahrer sicher sein, dass sie mit Biotreibstoff fahren, der die Nahrungsmittelproduktion nicht konkurrenziert? Kurt Egli vom Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) ist skeptisch. Die Nachfrage nach Biotreibstoffen steige weltweit – und damit wachse auch die Gefahr von Missbräuchen.
Tina Goethe vom Hilfswerk «Brot für alle» hat «grosse Zweifel», dass nur Biotreibstoffe aus nicht mehr verwendbaren Abfallprodukten in die Schweiz gelangen. Treibstoffe aus Biomasse hält sie generell für eine schlechte Alternative zu Erdöl: «Die negativen Auswirkungen überwiegen.»
Reto Stroh von der Oberzolldirektion räumt ein, dass aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage nach Biotreibstoffen das Betrugsrisiko grösser geworden ist.