Ende 2013 stellte ein junges Paar aus einer Zürcher Goldküstengemeinde eine Tagesmutter an. Sie sollte sich an mehreren Tagen der Woche um die damals fünf Jahre alte Tochter des Paares kümmern. Dafür wurde ein Betreuungsvertrag abgeschlossen. Nach drei Jahren kündigten die Eltern der Tagesmutter fristgerecht auf Ende September 2016. Sie waren mit der Arbeit der heute 68-Jährigen nicht mehr zufrieden.
Die Tagesmutter klagte darauf die Eltern ein. Sie fordert von ihnen eine Lohnnachzahlung von 6000 Franken für Arbeitsstunden im Jahr 2016, die aus Gründen ausgefallen seien, die sie nicht zu verantworten habe. Bei ihrem Stundensatz von 30 Franken entspricht das 200 Arbeitsstunden.
Die Rentnerin erscheint vor dem Bezirksgericht Meilen ZH ohne Anwalt: Die Kündigung sei «völlig unbegründet» gewesen. Sie habe eine sehr gute Beziehung zur Tochter aufgebaut, weshalb die Mutter eifersüchtig geworden sei. «Die Kündigung erfolgte nur deshalb, weil sie mich aus dem Haus haben wollte.»
Die geforderte Lohnnachzahlung stütze sie auf die «konkreten Abmachungen» im Betreuungsvertrag. Dort heisst es: «Als durchschnittliche Arbeitszeit sind ca. 30 Prozent einer 42-Stundenwoche, etwa 14 Wochenstunden, vorgesehen. Die Tagesmutter steht an den Wochentagen Montag und Mittwoch zur Verfügung.» Ausnahmefälle sollten mit der Tagesmutter «möglichst frühzeitig» abgestimmt werden. «In besonderen Fällen, die einen Mehr- oder Mindereinsatz gegenüber der durchschnittlichen Arbeitszeit erfordern, einigen sich die Vertragsparteien vorgängig schriftlich über die Abweichung.»
Die Absagen kamen oft kurzfristig und per SMS
Die Tagesmutter zeigt dem Richter eine Liste, in der die Arbeitsstunden festgehalten sind: «Ich habe 2016 mindestens 6000 Franken weniger verdient als in den beiden Jahren zuvor!»
Im Jahr 2016 habe ihr das Ehepaar plötzlich immer wieder kurzfristig abgesagt, «manchmal erst am Abend vorher per SMS!». Obwohl der Vertrag schwarz auf weiss festhalte, dass Ausnahmefälle möglichst frühzeitig abgestimmt werden sollten. Die ausgefallenen Stunden müsse sie den Eltern in Rechnung stellen. Zudem hätten sie feste Arbeitszeiten abgemacht, die eingehalten werden müssten – und zwar «von beiden Seiten».
Die Eltern überlassen das Plädieren ihrer Anwältin. Diese weist die Forderung zurück. Aus dem Wortlaut der Vertragsbestimmungen lasse sich kein Anspruch auf eine Mindestzahl von Arbeitsstunden herleiten. Das sei alles sehr vage formuliert. Entscheidend sei, dass die Parteien vertraglich vereinbart hätten, «über die geleisteten Arbeitsstunden Buch zu führen».
Der Richter signalisiert der Tagesmutter, dass er bei einem Urteil den Ausführungen der Eltern folgen werde. Er könne nachvollziehen, dass sie auf das Geld angewiesen war. «Aber der Vertrag ist schon sehr schwammig formuliert.» Trotzdem könne man sich vielleicht zu einem Vergleich aufraffen. Doch die Tagesmutter lehnt sofort ab. Sie wolle Gerechtigkeit – und 6000 Franken.
Sechs Monate später liegt das schriftliche Urteil vor. Der Richter stellt einzig auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ab. Die Eltern hätten sich mit der Tagesmutter vertraglich so geeinigt, dass die Arbeitseinsätze beliebig erfolgen könnten. Für ungenau abgerechnete Stunden müssen ihr die Eltern noch 450 Franken überweisen. Die Tagesmutter muss ihnen im Gegenzug für angefallene Anwaltskosten eine Prozessentschädigung von 2500 Franken zahlen.
Unbedingt eine Mindestzahl an Stunden abmachen
Arbeitsverträge sind schon mündlich gültig. Aber es ist nicht ratsam, ohne schriftlichen Vertrag für jemanden tätig zu werden. Das gilt auch für Dienstleistungen wie Babysitting oder Gelegenheitsarbeiten. Gibt es Streit, hat jene Partei das Nachsehen, die ihren Anspruch nicht beweisen kann. Das sind in der Regel die Angestellten. Arbeitsverträge auf Abruf sollten darum immer eine Mindestzahl von Stunden pro Woche enthalten.