Der Verband der kanadischen Pharmahersteller Rx & D hat den Umgang von 18 Industriestaaten mit 130 Medikamenten mit neuen Wirkstoffen verglichen. Die Arzneien kamen zwischen 2009 und 2013 auf den Markt. 90 Prozent davon sind in der Schweiz zugelassen. Nur in Japan und in den USA ist dieser Anteil höher. Zurückhaltender sind Neuseeland, Belgien und Irland, die weniger als 60 Prozent dieser Medikamente zuliessen.
Kassenpflicht rasch und oft angeordnet
Schweizer Krankenkassen müssen bei 80 Prozent der neu zugelassenen Mittel die Kosten vergüten. Die Schweiz liegt damit etwa gleichauf mit Deutschland, Österreich und Grossbritannien. Auch hier haben nur Japan und die USA eine deutlich höhere Quote.
Die Behörden in Neuseeland, Dänemark, Kanada und Belgien erwiesen sich hingegen als strenger. Sie bewilligten die Vergütung bei nur rund 20 bis 50 Prozent der neuen Medikamente. Die Schweizer Behörden führten die Erstattungspflicht relativ schnell ein. Für die Bearbeitung brauchen sie im Durchschnitt weniger als 180 Tage.
Die grosszügige und rasche Schweizer Zulassungspraxis nützt vor allem der Pharmaindustrie. Sie reduziert die Wartezeiten der Hersteller, bis die neuen Medikamente in den Verkauf kommen.
Schein-Innovationen belasten die Rechnung
Patienten und Prämienzahler haben hingegen kaum Vorteile. Von 18 angeblich «innovativen» Medikamenten, die 2010 bis Anfang 2011 auf den Markt kamen, brachten beispielsweise nur zwei tatsächlich einen therapeutischen Vorteil für Patienten (saldo 15/13). Bei der Mehrheit handelt es sich um Präparate, die Patienten nicht mehr halfen als bewährte Medikamente.
Bei einigen häufen sich nach der Zulassung die Hinweise auf heikle Nebenwirkungen. Und die neuen Medikamente verursachten erhebliche Mehrkosten zulasten der Prämienzahler.
Das hat sich nicht geändert: Forscher der Universität Bremen (D) analysierten für den neuen «Innovationsreport 2015» zwanzig im Jahr 2012 in Deutschland zugelassene neue Medikamente. Die meisten davon sind auch in der Schweiz registriert.
Nur eines von 20 neuen Mitteln bringt Mehrwert
Die Forscher bescheinigen nur einem einzigen Präparat einen eindeutigen Zusatznutzen für Patienten. Es handelt sich dabei um Zelboraf. Dieses Medikament hilft bei bestimmten Formen des schwarzen Hautkrebses. Die Behandlung kostet rund 12 000 Franken pro Monat.
«Innovatives» Mittel: Gelenkschmerzen als mögliche Folge
Das seit 2013 erhältliche Medikament Kombiglyze sowie das 2010 zugelassene Onglyza sollen den Blutzuckerspiegel von Diabetikern senken. Sie enthalten sogenannte Gliptine als Wirkstoff. Laut einer Studie aus den USA von 2013 bringen diese neuen Mittel keinen Zusatznutzen gegenüber anderen Präparaten.
Die deutsche Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» rät von der Einnahme ab, da ein Nachweis fehlt, dass die Wirkstoffe vor Diabetes-Folgeerkrankungen schützen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA warnte Ende August vor möglichen schweren Gelenkschmerzen nach der Einnahme dieser Wirkstoffe. In der Schweizer Patienteninformation von Onglyza wird diese mögliche Nebenwirkung nicht erwähnt.
Laut Swissmedic ist eine Anpassung der Patienteninformation von Onglyza vorgesehen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA überprüfe zudem aktuell die Sicherheit von Saxagliptin. Swissmedic werde die Resultate berücksichtigen.