Auf der Internetseite der Landeslotterie Swisslos steht: «Wir setzen uns aktiv für die Prävention von Geldspielsucht ein – eine Erkrankung, die Menschen in persönliche und soziale Schwierigkeiten bringt.» Swisslos hat dafür eine eigene Fachabteilung. In ihrer Broschüre «Verantwortungsvolles Spiel» finden Spielsüchtige und ihre Angehörigen Tipps, einen Selbsttest und ein Geldspieltagebuch, das Süchtige mit Swisslos-Fachleuten besprechen können. Wenn alles nicht hilft, kann sich der Betroffene selber bei allen Schweizer Casinos und Swisslos auf eine Sperrliste setzen lassen, oder die Betreiber sperren ihn. Ausgeschlossene Spieler bekommen keinen Einlass mehr in die Casinos.
Swisslos kümmert sich auch hinter den Kulissen aktiv um die Spielsüchtigen. Aber anders, als man es erwarten würde. Im vergangenen Dezember erhielten Silvan Berger (Name geändert) aus dem Kanton Zürich und über 2000 weitere Kunden von Swisslos ein E-Mail der Landeslotterie. Darin schreibt sie, der Kunde befinde sich auf der Sperrliste der Spielbanken. Aufgrund des neuen Geldspielgesetzes dürfe er ab 1. Januar 2019 «leider» nicht mehr übers Internet oder Apps an «unseren Spielen» teilnehmen. Die Sperre habe bis anhin nur für die Spielbanken und nicht für Internetspiele gegolten. Und weiter hiess es: «Wir bedauern diese Regelung und haben uns vergeblich für eine andere kundenfreundliche Lösung eingesetzt.»
Dass Swisslos jetzt von «bedauern» spricht, erstaunt. Denn vor der Abstimmung vom 10. Juni 2018 über das Geldspielgesetz hatte die Landeslotterie noch für die Annahme des Gesetzes geworben, das angeblich mehr Schutz vor Spielsucht bieten sollte. Swisslos-Direktor Roger Fasnacht zum Beispiel sagte damals, dass die Schweiz «die europaweit strengsten Suchtpräventions-Bestimmungen» erhalten würde. Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) empfahl ein Ja, weil «wir mit diesem Gesetz auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Spielsucht leisten und damit die öffentlichen Haushalte entlasten». Er sitzt zusammen mit anderen aktiven und ehemaligen Regierungsräten im Verwaltungsrat von Swisslos.
Silvan Berger hatte sich im Februar 2017 bei den Spielbanken in der Schweiz, in Österreich und Deutschland sperren lassen. Aus gutem Grund: In den vergangenen zehn Jahren verspielte er dort nach eigenen Angaben etwa 1,6 Millionen Franken. Später wich er auf Internetspiele bei Swisslos aus und gab dort jährlich Tausende von Franken aus. Anfang 2017 beantragte er deshalb auch hier eine Sperre.
«Wie wenn man einem Alkoholiker Flaschen liefert»
Damit wollte er endgültig einen Strich unter seine Spielsucht setzen. Umso verärgerter war er, als ihm Swisslos im E-Mail vom Dezember Tipps gab, wie er die Sperre rückgängig machen könne: «Sie können sich um eine Streichung von der Sperrliste der Spielbanken bemühen. Bitte wenden Sie sich dafür an die Spielbank, die den Listeneintrag vorgenommen hat», schrieb Swisslos. Danach würde man «gerne die Teilnahmesperre wieder aufheben». Ausserdem wies ihn die Landeslotterie darauf hin, dass Gesperrte wie bisher an den Kiosk-Verkaufsstellen bei Swiss Lotto mitspielen könnten.
«Das ist eine Frechheit», sagt Bergers Ehefrau. Sie unterstützt ihren Mann seit Jahren beim Entzug. Das sei, wie wenn man einem trockenen Alkoholiker gratis ein paar Flaschen liefern würde. Auch Silvia Steiner, Leiterin Präventionsabteilung bei Sucht Schweiz, kritisiert Swisslos. «Es ist verwerflich und widerspricht dem Willen des Gesetzes, den Gesperrten nahezulegen, eine Aufhebung der Sperre zu beantragen.»
Swisslos-Direktor Roger Fasnacht wehrt sich. Man sei gesetzlich verpflichtet gewesen, auf Anfang 2019 alle Spielenden zu sperren, die sich auf der von den Spielbanken geführten Sperrliste befanden und gleichzeitig bei Swisslos über ein Onlinekonto verfügten. Die Benachrichtigung über die Sperre sei «selbstverständlich und unabdingbar» gewesen. Konkret: Swisslos sieht das E-Mail als Dienst am Kunden. Das gelte auch bezüglich der Information über die Möglichkeit der Aufhebung. «Im E-Mail befinden sich keine Textpassagen werblicher Art, die zum Spielen animieren.» Laut Fasnacht wurden knapp 2200 Spieler aufgrund der neuen Regelung gesperrt.
«Eine besonders fiese Verführungsstrategie»
Unterstützung erhält Swisslos von der Lotterie- und Wettkommision (Comlot). Man sei als Aufsichtskommission über das Swisslos-E-Mail vorab orientiert worden. Der Hinweis auf die Aufhebung erscheine «angemessen». Damit werde auf den Mechanismus der Spielsperre hingewiesen. Wichtig sei, dass Spieler nur wieder zugelassen werden, wenn eine Fachperson den Sachverhalt überprüft habe.
Der Zürcher Psychiater Mario Gmür sieht das anders. Er behandelt seit Jahren Spielsüchtige: «Es ist eine besonders fiese Verführungsstrategie zur Spielsucht, da formaljuristisch argumentiert und vordergründig eine Hilfeleistung angeboten wird.» Es zeige auf, wie verlogen die Glücksspielbranche und die eidgenössische Glücksspielpolitik sei. «Ein grosser Teil der Einnahmen stammt von den Spielsüchtigen. Die Schutzmassnahmen sind völlig ungenügend.»