Tausende von Unternehmen und Privathaushalten waren von der Pannenserie der Swisscom im Januar betroffen. Festnetztelefone blieben tagelang stumm, zum Teil bis zu acht Werktage. Internetverbindungen waren unterbrochen. Auch Handykunden kämpften mit Störungen. Für die Betroffenen ist das ärgerlich. Geschäftskunden können mangels Erreichbarkeit zudem finanzielle Einbussen erleiden. Müssen die Kunden die Swisscom-Rechnungen für den Monat Januar trotzdem bezahlen? Und wer trägt allfällige finanzielle Verluste von Unternehmen, die nicht erreichbar waren?
Laut Gesetz darf ein Vertragspartner erst eine Gegenleistung fordern, nachdem er seine Pflicht erfüllt hat. Das heisst: Fällt das Netz aus, schulden Telekom-Kunden für diese Zeit keine Abogebühren. Zudem könnten sie für finanzielle Verluste Schadenersatz fordern, sofern der Netzbetreiber die Panne verschuldet hat.
Doch das Gesetz gilt nur, wenn vertraglich nichts anderes abgemacht wurde. Das nutzen die Telekomfirmen zulasten der Kunden aus: Sie weichen in den Verträgen vom Gesetz ab. So bietet die Swisscom laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) «keine Gewährleistung für ein unterbruchs- und störungsfreies Funktionieren» ihrer Dienstleistungen. Zudem schliesst der Konzern seine Haftung für leichtes Verschulden aus – auch für Folgeschäden beim Kunden wie Datenverlust oder entgangenen Gewinn. Diese Klauseln verwendet Swisscom bei Privat- und Geschäftskunden.
Ausfälle über 24 Stunden geben Anrecht auf eine Ermässigung
Frédéric Krauskopf, Zivilrechtsprofessor an der Universität Bern, sagt: «Wird bloss die Gewähr für eine Leistung ausgeschlossen, heisst das nicht ohne weiteres, dass ein Kunde auch bei einer Störung für das Abo bezahlen muss.»
Swisscom-Sprecherin Annina Merk sieht es anders: «Insofern wir keine Gewährleistung für ein unterbruchs- und störungsfreies Funktionieren der Dienstleistungen geben, liegt bei einem Ausfall auch keine Vertragsverletzung vor.» Auch Sunrise übernimmt laut AGB keine Gewähr für ein «durchgehend unterbruchs- und störungsfreies Funktionieren». UPC (ehemals Cablecom) garantiert «keine ständige und uneingeschränkte Verfügbarkeit der Dienste».
Frédéric Krauskopf meint dagegen: «Wenn eine Dienstleistung längere Zeit ausfällt, besteht die Möglichkeit, die Gegenleistung zurückzuhalten oder zu kürzen.» Das heisst: Bei einem längeren Unterbruch können Telekomkunden eine Reduktion der Rechnung verlangen. Gemäss Krauskopf ist das unter anderem bei einem Ausfall ab 24 Stunden gerechtfertigt oder bei kürzeren aufeinanderfolgenden Ausfällen. Die Telekomfirmen dürften aber Folgeschäden des Netzausfalls, wie entgangenen Gewinn, von der Haftung ausschliessen. Weitere Schäden wie die Kosten für ein Ersatztelefon müsse Swisscom bei einem groben Fehler bezahlen. Das ist für die Kunden praktisch nicht zu beweisen. Macht die Swisscom etwa wie im Januar ein Softwareproblem geltend, kann der Kunde nicht wissen, ob das Problem auf einen leichten oder schweren Fehler zurückgeht.
Swisscom bestreitet Anspruch auf eine Ermässigung
Swisscom bestreitet, dass Kunden bei einem Netzausfall die Aborechnung kürzen dürfen. Sprecherin Annina Merk: «Bei einer Störung besteht kein Anspruch auf eine Ermässigung.» Die Swisscom schaue sich aber jeweils die Einzelfälle an. Dasselbe sagen UPC und Sunrise. Keine der drei Firmen wollte sagen, ab wie vielen Tagen mit Störung es eine Reduktion gibt.
saldo weiss von Geschäftskunden, denen Swisscom aufgrund der Panne eine Monatsrechnung storniert hat. Einer Anwaltskanzlei in Zürich wurden die Gebühren für zwei Monate erlassen – total 1600 Franken. Zu den unterschiedlichen Entschädigungen sagt Merk: «Ob Kunden eine Rechnungsgutschrift für einen oder zwei Monate aus Kulanz erhalten, ist abhängig von den vertraglichen Bestimmungen.» Auf welche Bestimmungen es ankommt, lässt Merk offen.
Privatkunden scheinen es schwieriger zu haben. Beispiel: Bei einer Lehrerin in Basel, die auf das Internet angewiesen ist, lief Ende des letzten Jahres wegen eines technischen Problems bei Swisscom nichts mehr. Sie wurde vom Kundendienst mehrmals vertröstet. Eine Entschädigung komme nicht in Frage. Doch ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Am Schluss erhielt sie die Abokosten für einen Monat (79 Franken) gutgeschrieben. Karl Kümin
Festnetzstörung: Das können Sie tun
Lassen Sie Anrufe auf das Handy umleiten. Dafür genügt ein Anruf beim Kundendienst. Swisscom: 0800 800 800, Sunrise: 0800 707 707, UPC: 0800 66 88 66.
Beim Internetausfall hilft das Internet des Handys weiter. Wer kein Handy hat, fordert von seiner Festnetzfirma am besten einen mobilen Hotspot oder einen Internetstick. Damit surft man am Computer übers Handynetz.
Verlangen Sie vom Festnetzanbieter eine Reduktion der nächsten Rechnung. Wenn nichts passiert, sollte man die Rechnung rasch schriftlich beanstanden. Sie können die Tage, in denen das Telefon nicht funktionierte, anteilsmässig von der Rechnung abziehen und nur den Rest bezahlen.