Rund drei Milliarden Franken verteilt der Bund jedes Jahr an die Bauern. Wie viel der einzelne Bauer davon erhält, hängt unter anderem davon ab, welche Leistungen er für die Umwelt und für das Tierwohl nachweisen kann. Seit dem Jahr 2014 ersetzen diverse leistungsabhängige Direktzahlungen pauschale Subventionen.
Einige Bauernverbände wollen jetzt das Rad zurückdrehen. Sie drängen darauf, die gesetzlichen Anforderungen an die Bauern punkto Tier- und Umweltschutz zu lockern, ohne die Subventionen zu kürzen. Das sind einige ihrer Forderungen:
Auslaufjournal
Der Schweizerische Bauernverband will das «Auslaufjournal» abschaffen. Darin müssen die Bauern festhalten, wann die Tiere für wie lange den Stall verlassen dürfen. Für Kritiker ist klar: Ohne Auslaufjournal kann niemand überprüfen, ob ein Bauer seine Kühe je auf die Weide lässt – und ob er zu Recht Tierwohlsubventionen erhält.
Raus-Beiträge
Für Kühe im Berggebiet ist es besonders artgerecht, wenn sie auf der Weide Gras fressen können. Bergbauern, die ihre Tiere vom 1. Mai bis 31. Oktober an mindestens 26 Tagen pro Monat auf die Weide lassen, erhalten sogenannte Raus-Beiträge. Diese betragen jährlich bis zu 190 Franken pro Tier. Laut Bundesamt für Landwirtschaft dürfen die Tiere auch «in einem Laufhof von frischer Luft und Sonnenlicht profitieren», falls es im Frühjahr zu wenig Gras auf der Weide hat.
Bäuerliche und regionale Organisationen aus den Berggebieten wollen die Regelung aufweichen. Sie verlangen, dass die Tiere im Mai nur noch an mindestens 13 Tagen Auslauf haben müssen. Raus-Beiträge wollen die Bauern aber weiterhin in gleicher Höhe kassieren, obwohl sie deutlich weniger Arbeit hätten. Der Schweizer Tierschutz wehrt sich gegen die Abschwächung der Auflagen. Laut Geschäftsleiter Hansuli Huber würden besonders in Berggebieten die Tiere oft in dunklen und schlecht gelüfteten Ställen gehalten. Deshalb sei es wichtig, dass sie oft ins Freie können.
Angekettete Kühe
Subventionen erhalten die Bauern auch für eine tierfreundliche Stallhaltung. Zum Beispiel für Laufställe, in denen sich die Tiere frei bewegen können. Viele Landwirte halten ihre Kühe aber lieber angebunden in Ställen. Vor einem Jahr haben sie die IG Anbindestall gegründet. Sie fordert von Bund und Kantonen für Bauern mit Anbindeställen die gleiche finanzielle Unterstützung wie für ihre Kollegen mit Laufställen.
Die Haltung in Anbindeställen gemäss Tierschutzverordnung sei nicht artgerecht, sagt der Schweizer Tierschutz. Die Kühe dürfen an 275 Tagen im Jahr angekettet bleiben. Können sie auf die Weide, entscheiden die Bauern, wie lange. Eine gesetzliche Mindestdauer existiert nicht. Selbst das Bundesamt für Veterinärwesen räumt ein, dass die Anbindehaltung das natürliche Verhalten der Kühe stark einschränkt.
Der Schweizer Bauernverband unterstützt die IG Anbindestall. Sprecherin Sandra Helfenstein: «Je nach Lage des Betriebes sind teilweise nur Anbindeställe möglich.»
Die IG Anbindestall bekämpft auch das Verbot der Kuhtrainer, die seit September 2013 aus Tierschutzgründen in neuen Anbindeställen untersagt sind. Der Kuhtrainer ist ein unter Strom stehender Metallbügel, der über dem Rücken der Tiere hängt. Er zwingt die Tiere beim Koten und Harnen zum Zurücktreten bis zur Mistrinne.
Kartoffelgift
Das Bundesamt für Landwirtschaft hat Ende 2014 auf Drängen von Bauernverbänden das umstrittene Insektizid Ephosin im Kartoffelanbau zugelassen. Der Verband der Kartoffelbranche Swisspatat behauptete, dass die Bauern nur so der Drahtwürmerplage Herr würden, die angeblich «grosse Schäden» verursache. Offizielle Zahlen gibt es keine.
Andreas Bosshard von der Bauernvereinigung «Vision Landwirtschaft» kritisiert, der Gifteinsatz verstosse gegen die Regeln des «ökologischen Leistungsnachweises». Dieser definiert, was ein Bauer tun muss, um Subventionen zu erhalten. Ein Kartoffelbauer muss stets zuerst präventive Massnahmen gegen Schädlinge ergreifen, bevor er Gift einsetzt. Er muss zum Beispiel eine angepasste Fruchtfolge und geeignete Standorte wählen.
Umstritten sind die Folgen des Gifteinsatzes für Umwelt und Gesundheit. Das Bundesamt für Landwirtschaft erklärt auf Anfrage, bei «vorschriftsgemässer Anwendung» von Ephosin seien «keine unannehmbaren Nebenwirkungen» zu erwarten. Das Pestizid schädigt gemäss Studien Würmer, Käfer, Bienen, Vögel, Frösche und Wasserlebewesen. Der Wirkstoff von Ephosin steht zudem im Verdacht, Schäden im Gehirn von Ungeborenen und ADHS verursachen zu können.
Bosshard schätzt, dass das Gift auf einem knappen Viertel der Schweizer Flächen im Kartoffelanbau zum Einsatz kam.
Weniger Artenschutz
Bisher erhalten Landwirte «Biodiversitätsbeiträge», wenn sie Wiesen erst im Spätsommer mähen, nicht düngen, Hecken oder Säume erhalten oder anlegen. Die Beiträge fallen höher aus, wenn die Wiesen einen besonderen Wert für die Biodiversität aufweisen, weil hier seltene Blumen vorkommen.
Der Bauernverband drängte darauf, die Ökosubventionen zu beschneiden. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat nachgegeben. Sprecher Jürg Jordi behauptet, dass Flächen in der Standardförderung meist «nur ungenügend» zu mehr Biodiversität beitrügen. Bauern hätten viele dieser Flächen angemeldet. Ab 2016 will der Bund diese Beiträge um 10 Prozent kürzen. Jeder Betrieb soll nur Beiträge auf maximal 50 Prozent seiner Fläche erhalten. Das Bundesamt rechnet mit 10 Millionen Franken Einsparungen. Das Geld soll jedoch nicht in die Förderung ökologisch wertvollerer Flächen fliessen, sondern in den Topf für «Übergangsbeiträge». Diese entschädigen Bauern im Tiefland für gestrichene Pauschalsubventionen.
Markus Fischer, Professor für Pflanzenökologie in Bern, lehnt die Kürzungen als «kontraproduktiv» ab. Die Biodiversität im Unterland sei bereits heute «dramatisch». Die Kürzung verschlimmere die Situation. Die Deckelung führe dazu, dass Bauern ihre Biodiversitätsflächen reduzieren. Der Bund sollte stattdessen mehr Anreize für Flächen mit höherer Qualität schaffen. Dies nütze auch den Bauern, weil so mehr Nützlinge wie Bienen oder Marienkäfer Lebensraum fänden.
Pascal König von der Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz kritisiert die Kürzungen als «einseitige Schwächung der Biodiversitätsförderung». Er wirft dem Bundesamt vor, «unter dem Druck des Bauernverbandes einzuknicken».