Die Schweiz ist alles andere als ein leuchtendes Beispiel, was die Produktion von Sonnenstrom betrifft. Vergangenes Jahr erzeugte sie 294 kWh pro Kopf der Bevölkerung. Sie belegt damit im europäischen Vergleich nur Platz acht, wie eine aktuelle Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung zeigt. Spitzenreiter Deutschland produzierte mit 614 kWh pro Kopf mehr als doppelt so viel.
Tiefe Abnahmepreise verhindern grosse Anlagen
Die Schweiz hat bezüglich Sonnenenergie also noch viel Aufholbedarf. Doch der Ausbau kommt nur schleppend voran. Der Hauptgrund: Viele Elektrizitätsversorger zahlen für den Solarstrom, den Private in ihr Netz einspeisen, mickrige Vergütungen – teils weniger als 5 Rappen pro kWh. Sie können das, weil ihnen das Energiegesetz die Höhe der Vergütung nicht vorschreibt (saldo 13/2018). Laut dem Verband unabhängiger Energieerzeuger lassen sich Anlagen mit Abnahmepreisen von weniger als 10 bis 11 Rappen pro kWh kaum in akzeptabler Frist amortisieren.
Die meisten Elektrizitätsunternehmen sind ganz oder teilweise im Besitz von Kantonen und Gemeinden. Sie preisen die Energiewende als ein Gebot der Stunde, behindern sie aber gleichzeitig mit miserablen Vergütungen für Sonnenstrom. In ihren Leitungsgremien sitzen neben Kantons- und Gemeindepolitikern auch diverse National- und Ständeräte – so etwa Martin Schmid (FDP, GR), Stefan Engler (Mitte, GR) und Thomas Hefti (FDP, GL), die alle gleich in mehreren Verwaltungsräten mitwirken (saldo 4/2021). FDP-Ständerat Schmid schrieb Anfang September in der «Südostschweiz»: «Der Zubau der Photovoltaik in grossem Stil ist unumgänglich, gerade auch vor dem Hintergrund der Elektrifizierung des Verkehrs.»
Grosse Solaranlagen sind in der Schweiz schwer zu realisieren. Sie sind der Preispolitik der Stromversorger in hohem Masse ausgeliefert. Heini Lüthi weiss das aus eigener Erfahrung. Er ist Energieingenieur und Vorstandsmitglied im Verband unabhängiger Energieerzeuger. Zudem leitet er Projekte für Solarstromgenossenschaften. Seit Monaten kämpft Lüthi für den Bau einer Solaranlage auf dem Flachdach eines Ostschweizer Gewerbehauses.
Geplant ist eine Anlage mit 100 Kilowatt Leistung auf einer Dachfläche von 462 Quadratmetern. Ein Fünftel des gewonnenen Stroms ginge in den Eigenverbrauch, der Rest könnte rund 20 Haushalte versorgen. Das Projekt startete vielversprechend: Lüthi gelang es als Vertreter einer Solargenossenschaft, den Dacheigentümer in «längerer Überzeugungsarbeit» für einen Solar-Nutzungsvertrag zu gewinnen.
Stadtwerk wollte sich nur für zwei Jahre verpflichten
Die Kalkulationen stimmten zuversichtlich: Gemäss ersten Offerten sollten die Installation der Anlage rund 97 000 Franken, der Dachdeckeraufwand rund 15 000 Franken und die elektrischen Anpassungen rund 10 000 Franken kosten. Doch eine Begehung zeigte: Das Dach braucht eine gründliche Sanierung. Mehrkosten: über 65 000 Franken.
Der Dacheigentümer machte klar, dass er so hohe Sanierungskosten nicht allein tragen wolle. Lüthi rechnete aus: Die Solargenossenschaft kann sich daran beteiligen, falls sie ihren Strom für 11 Rappen pro kWh ins Netz einspeisen kann. Diese Vergütung gab das örtliche Stadtwerk auf seiner Website an. Auf Lüthis Nachfrage nach einem mehrjährigen Vergütungsvertrag krebste das Stadtwerk indes zurück: Es offerierte noch maximal 7,6 Rappen – und auch das vorerst nur für zwei Jahre.
Folge: Die Amortisationsdauer der Anlage würde sich – selbst bei längerfristig stabilem Tarif von 7,6 Rappen – auf deutlich über 20 Jahre verlängern. Und die Genossenschaft müsste sich mit einer Kapitalverzinsung von 1 Prozent über 25 Jahre begnügen. «Ein Beitrag an die Dachsanierung liegt bei diesem tiefen Tarif nicht mehr drin», bilanziert Lüthi. Er hofft, mit dem Stadtwerk «doch noch zu einer Lösung zu kommen». Sonst sieht es für das Projekt schlecht aus.
Die Stromkonzerne sind nicht am Solarstrom interessiert
Die Folgen tiefer Vergütungstarife kennt auch Unternehmer Peter Schürch von der Soltracting AG in Sempach LU. Die Firma kümmert sich im Kundenauftrag etwa für Landwirte und Gewerbebetriebe um die Projektierung und Realisierung grösserer Solaranlagen.
2020 war für Schürch ein schlechtes Jahr. Der Zentralschweizer Stromkonzern CKW vergütete Sonnenstrom damals zeitweise mit weniger als 4 Rappen pro kWh. «Wegen der mickrigen Tarife konnten wir mehrere Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 1000 Kilowatt nicht realisieren», hält Schürch fest. Diese Anlagen hätten das Potenzial, etwa 250 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Gegenwärtig sei die Vergütung mit 10 Rappen pro kWh zwar wieder besser. «Aber niemand weiss, wie lange das so bleibt», sagt Schürch. Grund dafür ist die Politik der CKW: Sie will für Sonnenstrom, den private Produzenten in ihr Netz einspeisen, höchstens so viel zahlen, wie sie dafür aus dem Verkauf an der Strombörse bekommt. Denn eigentlich braucht sie diesen Sonnenstrom nicht, da sie genügend Elektrizität in ihren eigenen Kraftwerken produziert.
Staatlich vorgeschriebene Minimalvergütung gefordert
In der Schweiz vergüten viele Elektrizitätsunternehmen den Solarstrom Dritter nur zum Preis, zu dem Strom aus unbekannter Herkunft an der Börse gehandelt wird. Und dieser Preis schwankte ab Anfang 2019 bis vergangenen Sommer auf teils sehr tiefem Niveau.
Für Solarstromproduzenten bedeutete das über Monate ein Auf und Ab der Vergütungen. Ihr Verband unabhängiger Energieerzeuger und die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie fordern darum, der Bund solle eine minimale, langfristig stabile Vergütung von etwa 8 bis 10 Rappen pro kWh vorschreiben. Bis jetzt ohne Erfolg.